Bei Angriff auf persönliche Ehre besteht Recht auf Gegenschlag
Dass sich grundsätzlich niemand von anderen Personen beleidigen lassen muss und derartige Diffamierungen nicht ohne weiteres hingenommen werden müssen, weil sie die persönliche Ehre als besondere Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzen, ist allgemein bekannt. Bekannt ist in diesem Zusammenhang auch, dass Unterlassungsansprüche sowie ggf. Geldentschädigungsansprüche und Schadensersatzansprüche gegen den Verletzer geltend gemacht werden können. Hierin sind die Verteidigungsmittel jedoch noch nicht erschöpft, wie das Bundesverfassungsgericht in einem prominenten Fall entschieden hat. Vielmehr hat derjenige, welcher sich durch persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen einem Angriff auf seine persönliche Ehre ausgesetzt sieht, selbst ein sogenanntes Recht auf Gegenschlag. Der Betroffene kann daher in gleichermaßen emotionalisierender Weise seine subjektive Wahrnehmung in Bezug auf ein Geschehen kundtun.
Sachverhalt der Persönlichkeitsrechtsverletzung
Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.03.2016 (1 BvR 2844/13) lag eine Verfassungsbeschwerde zugrunde, mittels welcher die Beschwerdeführerin gegen eine zivilgerichtliche Unterlassungsverfügung vorging. Diese untersagte es ihr, bestimmte Äußerungen zu verbreiten. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die Ex-Geliebte des Wettermoderators Kachelmann. Nachdem das Landgericht (LG) Mannheim den Moderator 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung freisprach, stellten Kachelmann und seine Rechtsanwälte ihre Sicht der Dinge zum Strafverfahren dar. Unter anderem sagte Kachelmann gegenüber einer Wochenzeitung folgende Worte:
„…vor Gericht hatte mir mein Verteidiger […] geraten zu schweigen. Was sollte ich auch mehr sagen als die kurze Wahrheit: „Ich war es nicht!“ und: „Ich habe keinem Menschen Gewalt angetan!“ […] Ich hätte an jedem Prozesstag hundertmal aufstehen und sagen müssen: „Das ist gelogen!“ Was soll ich über lügende Zeuginnen sagen, …“
Über die Beschwerdeführerin sagte er Folgendes:
„Ich weiß, ich habe mich mies benommen. Ich habe Menschen verarscht. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Aber das, was die Nebenklägerin mit mir gemacht hat, als sie sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte – das ist keine Verarsche. Das ist kriminell. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. […] Ich habe keinen Sprung in der Schüssel. Viel interessanter wäre doch zu erfahren, was psychologisch in der Frau vorging, die mich einer Tat beschuldigt, die ich nicht begangen habe. Die Nebenklägerin soll ja nach dem Urteil in einem Nebenraum des Gerichts erheblich randaliert haben.“
Eine Woche nach diesen Äußerungen gab die Beschwerdeführerin ein Interview gegenüber der Zeitung Bunte, in welchem sie die Vorwürfe aus dem Strafverfahren wiederholt:
„Das Gericht unterstellt mir mit diesem Freispruch, dass ich so dumm und so niederträchtig sein könne, eine solche Vergewaltigungsgeschichte zu erfinden […]. Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe. Ich bin keine rachsüchtige Lügnerin.
[…] Fast unerträglich aber war für mich, die Aussagen der [von Kachelmann] bezahlten Gutachter in der Presse lesen zu müssen. Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß ganz genau: ES WAR ABER SO! […]
Im Rahmen des Interviews äußert die Ex-Geliebte Kachelmanns zudem, dass sie die Tat traumatisiert habe und Kachelmann ihr gedroht hätte sie umzubringen, als sie die Wohnung in der besagten Nacht verließ. Sie betonte ferner, nie die Intention gehabt zu haben, sich öffentlich zu äußern. Kachelmanns „heuchlerisches Interview“ habe sie jedoch dazu getrieben, dies doch zu tun.
Kachelmann wollte diese Äußerungen jedoch nicht auf sich sitzen lassen und machte vor dem Landgericht Köln Unterlassungsansprüche wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend. Das LG Köln gab der Klage Kachelmanns statt. Die Beschwerdeführerin legte zwar Berufung gegen das Urteil ein. Die Berufung zum Oberlandesgericht und die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof blieben jedoch ohne Erfolg.
Kachelmann muss sich emotionale Reaktion gefallen lassen
Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein und richtete sich mit dieser gegen die Entscheidungen der Gerichte. Das BVerfG gab der Beschwerdeführerin Recht und stützte seine Entscheidung auf die aus Art. 5 Abs.1 Satz 2 Grundgesetz (GG) abzuleitende Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin.
Das BVerfG führte in seiner Entscheidung aus, dass die Gerichte zwar zutreffend davon ausgegangen seien, dass auch Tatsachenbehauptungen von der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst sein können, da Sie zur Meinungsbildung beitragen. Nicht zutreffend berücksichtigt hätten die Gerichte jedoch den Umstand, dass die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Strafverfahrens behaupteten Tatsachen nicht erwiesen unwahr seien. Das Strafverfahren habe nicht klar herausstellen können, ob Kachelmann oder seine Ex-Geliebte die Wahrheit sagen, daran ändere auch der Freispruch nichts.
Nachdem Kachelmann freigesprochen wurde, hätten sich – so das BVerfG – die verschiedenen Wahrnehmungen als subjektive Bewertungen im Hinblick auf ein Ereignis, welches nicht aufgeklärt werden konnte, dargestellt. Daher handele es sich um Meinungsäußerungen und nicht um Tatsachenbehauptungen. Die Entscheidungen der Zivilgerichte verletzten nach Auffassung des BVerfG die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin. Dieser hätte es nicht untersagt werden dürfen, sich wie gegenüber der Zeitschrift BUNTE zu äußern. Ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 BGB wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kachelmanns bestehe nicht.
Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht
Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich zur Problematik der Einschränkung der Meinungsfreiheit wie folgt:
„Die Gerichte haben die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Die sich gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalls in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt. Von Bedeutung ist für die insoweit gebotene Abwägung unter anderem, ob die Äußerung lediglich eine private Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen betrifft oder ob von der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht eine Vermutung zu Gunsten der Freiheit der Rede.“
Zu berücksichtigen ist weiter, dass grundsätzlich auch die überspitzte Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt. Dabei kann insbesondere bei Vorliegen eines unmittelbar vorangegangenen Angriffs auf die Ehre eine diesem Angriff entsprechende, ähnlich wirkende Erwiderung gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 24, 278 [286] = NJW 1969, Seite 227). Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 12, 113 [131] = NJW 1961, Seite 819 ; BVerfGE 24, 278 [286] = NJW 1969, Seite 227; BVerfGE 54, 129 [138] = NJW 1980, Seite 2069)
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts genügen die angegriffenen Entscheidungen diesen vorgenannten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht. Die Zivilgerichte im vorliegenden Fall hätten – so das Bundesverfassungsgericht – die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit fehlerhaft vorgenommen.
Fazit – Persönlichkeitsrecht vs. Meinungsfreiheit
Der vorliegende Fall zeigt, dass die Abgrenzung zwischen zulässiger Meinungsäußerung und rechtswidriger Persönlichkeitsrechtsverletzung äußerst komplex und schwierig ist. So entscheiden Gerichte teilweise zugunsten der Meinungsfreiheit und teilweise zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist in jedem Fall zu begrüßen, da derjenige, welcher einen anderen durch Äußerungen angreift, es sich gefallen lassen muss, dass sein Gegenüber in ebenso emotionalisierender Weise seine Sicht der Dinge darstellt. Die dadurch gegebene Waffengleichheit schafft einen fairen Ausgleich.
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