Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Dashcams?
Ein Beitrag zum Persönlichkeitsrecht von Rechtsanwalt David Geßner, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Pauline Zimmermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Am 15. Mai 2018 befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen im Unfallhaftpflichtprozess . Dashcams sind Videokameras, welche während der Autofahrt das Geschehen auf der Straße frontal aufnehmen.
Dabei sind dauerhafte und vor allem anlasslose Aufzeichnungen der gesamten Autofahrt zwar nach geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften nicht zulässig, jedoch können diese Aufnahmen als Beweismittel verwertet werden. Voraussetzung dafür ist, dass lediglich neutrale Verkehrsvorgänge durch die Kamera festgehalten wurden und zudem eine vom Gericht durchzuführende Einzelfallabwägung ergibt, dass das Beweisinteresse des Geschädigten größer ist, als das unter Umständen betroffene Persönlichkeitsrecht des Unfallgegners.
Was war passiert?
Bei einem Verkehrsunfall kollidierten die Fahrzeuge der beiden Parteien innerorts beim Linksabbiegen. Daraufhin nahm der Kläger den Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz in Anspruch. Gestritten wurde vor allem um die Frage, wer von beiden die Spur verlassen hat und damit den Verkehrsunfall herbeiführte. Der Unfall, sowie das Geschehen davor wurden von der Dashcam des Klägers aufgezeichnet.
Das Amtsgericht sprach dem Kläger in der ersten Instanz die Hälfte seines Gesamtschadens zu. Dies begründete es damit, dass für das Abkommen des Beklagten auf die Spur des Klägers keine Beweise vorlägen. Vor allem aus technischer Sicht seien beide Schilderungen zum Unfallhergang möglich gewesen.
Die Verwertung der Dashcam-Aufnahmen des Klägers wurde jedoch sowohl vom Amts- als auch vom Landgericht aus datenschutzrechtlichen Gründen abgelehnt.
BGH- Entscheidung: Persönlichkeitsrecht vs. Beweisverwertung
Der BGH stimmte dem Landgericht bezüglich der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit der Aufzeichnungen zu. Unter anderem, weil die Aufnahmen ohne Zustimmung des Betroffenen erfolgen würden und damit auch sein Persönlichkeitsrecht tangieren. Eine dauerhafte grundlose Aufzeichnung der gesamten Autofahrt ist zudem für das Beweissicherungsinteresse des Aufnehmenden nicht erforderlich.
Aus der Unzulässigkeit der Aufnahmen folgt jedoch nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot. Im Zivilprozess führt die Unzulässigkeit bzw. Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung nicht zwangsläufig zur Unverwertbarkeit dieser. Vielmehr muss im Einzelfall eine Abwägung der Interessen und Güter der Parteien erfolgen.
Dabei steht auf der Seite des Klägers das Interesse an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche. Aufseiten des Beklagten streitet sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls des Rechts am eigenen Bild.
Beweisverwertungsinteresse überwiegt Persönlichkeitsrechtsschutz
In seiner Entscheidung nahm der BGH das Überwiegen der Interessen des Klägers an und ließ das Persönlichkeitsrecht des Beklagten zurücktreten.
Als Begründung führte er zum einen an, dass die Aufnahmen im öffentlichen Raum stattgefunden hätten, in welchen sich der Betroffene freiwillig begeben habe. Damit einhergehend habe er sich auch der Analyse und Wahrnehmung anderer Verkehrsteilnehmer freiwillig ausgesetzt. Zudem seien von der Dashcam nur öffentliche Geschehnisse aufgezeichnet worden, welche auch sonst für jeden wahrnehmbar seien. Hinzu käme, dass die Schnelllebigkeit des Straßenverkehrs oft zu Beweisschwierigkeiten führe.
Nach Ansicht des BGH führt auch der eventuelle Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beklagten nicht zu einer anderen Bewertung des Geschehens. Geschützt wird dieses durch das Datenschutzrecht, welches aber gerade kein Beweisverwertungsverbot beabsichtigt.
Für das Überwiegen der Interessen des Klägers eines Unfallhaftpflichtprozesses spreche zudem § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). Danach muss ein Unfallbeteiligter die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglichen.
Was bedeutet die Entscheidung für den Schutz des Persönlichkeitsrechts?
Mit der Entscheidung des BGH hat dieser nicht nur ein generelles Beweisverwertungsverbot von Dashcam-Aufnahmen abgelehnt, sondern gleichzeitig auch ausgeführt, wie diese datenschutzkonform im Straßenverkehr verwendet werden könnten.
Mittels einer Dashcam soll es auch möglich sein, kurze, anlassbezogene Aufzeichnungen des Unfallhergangs festzuhalten, beispielsweise dadurch, dass die Aufnahmen überschrieben werden und eine dauerhafte Speicherung erst bei einer Kollision des Fahrzeugs ausgelöst wird.
Jedoch ist auch der Betrieb in der durch den BGH dargestellten Weise nicht ganz unproblematisch. Vor allem, weil mit der Änderung des Datenschutzrechts am 25. Mai 2018 auch private Betreiber von Dashcams „Verantwortliche“ im Sinne des Datenschutzrechts sind. Diesen werden nach dem neuen Datenschutzrecht vielfältige bürokratische Pflichten auferlegt.
Fazit: Dashcams können Persönlichkeitsrechte verletzen
Die Vornahme einer Einzelfallabwägung im Zivilprozessrecht ist üblich. Vorliegend waren das allgemeine Persönlichkeitsrecht des auf dem Video abgebildeten Beklagten und das Beweisverwertungsinteresse des Klägers gegeneinander abzuwägen. Automatische Beweisverwertungsverbote sind dem deutschen Recht fremd. Jedoch hilft das Urteil des BGH dem Verkehrsteilnehmer in Bezug auf das erlaubte Verhalten im Straßenverkehr nicht viel weiter. Einerseits ist das Betreiben von Dashcams aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten und zieht nicht nur hohe Bußgelder nach sich, sondern kann bei Handlungen mit Schädigungsabsicht auch eine Freiheitsstrafe bedeuten. Andererseits bleibt einem Unfallbeteiligten meist keine andere Beweismöglichkeit als die Aufzeichnung einer Dashcam.
Bei der Nutzung von Dashcams in der vom BGH beschriebenen Weise sind zudem das neue Datenschutzrecht und seine Auswirkungen auf die Pflichten von privaten Betreibern zu beachten. Dabei bleiben weitergehende Fragen vor allem bezüglich einzuhaltender Schutzmaßnahmen und Pflichten offen.
Fachanwalt für Medienrecht hilft
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