Landgericht Köln verbietet BILD Verdachtsberichterstattung über Christoph Metzelder
Christoph Metzelder erwirkte gegen die BILD im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens Unterlassungsansprüche hinsichtlich einer Berichterstattung, die Anfang September in der BILD-Zeitung und auf www.bild.de erschien. Die Artikel mussten von der BILD offline genommen und dürfen nicht wieder veröffentlicht werden.
BILD hat bereits angekündigt, gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vorzugehen. Die BILD hatte über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Profifußballer Christoph Metzelder wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften berichtet. Die Ermittlungen gegen Christoph Metzelder wurden von der Hamburger Polizei aufgenommen, nachdem die BILD sie von dem Verdacht in Kenntnis setzte. Das Vorgehen und die Verdachtsberichterstattung der BILD über den Fall Metzelder wurden danach in nahezu allen Medien kontrovers diskutiert.
Zum einen erregte die Arbeitsweise des Axel Springer-Verlags die Gemüter, zum anderen kam die grundsätzliche Frage auf, ob, wie und ab welchem Zeitpunkt über einen bloßen Anfangsverdacht einer Straftat eines Prominenten die Presse berichten darf.
Die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat
Einigkeit – und so auch vom Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof mehrfach bestätigt – besteht darüber, dass die Presse nicht nur solche Informationen verbreiten darf, deren Wahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits mit Sicherheit feststeht.
Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Ruf der betroffenen Person besonders gefährdet ist. Andernfalls könnten die Medien ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgaben bei der öffentlichen Meinungsbildung nicht erfüllen. Daher ist anerkannt, dass die Presse auch über nicht erweislich wahre Tatsachen, namentlich den Verdacht von Straftaten, identifizierend berichten darf, ohne dass dies bei nachträglicher Erkenntnis der Unwahrheit mit negativen Sanktionen belegt wird.
Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung über eine mögliche Straftat die Existenz der betroffenen Person weitgehend zerstören kann. Es gilt daher zunächst die Unschuldsvermutung. Weiter zu berücksichtigen ist, dass der Betroffene im digitalen Zeitalter sein Leben lang mit dem Makel („irgendwas bleibt immer hängen“) unabhängig von der Berechtigung der Verdächtigung leben muss. Es bleibt abzuwarten, ob Christoph Metzelder je wieder Fuß fassen wird oder die BILD-Berichterstattung zu einer gesellschaftlichen Ächtung führen wird.
Grundsätze der Verdachtsberichterstattung
Daher hat die Presse bei der sog. Verdachtsberichterstattung mit besonders viel Sorgfalt vorzugehen. Bei der Verdachtsberichterstattung über Straftaten gelten ein gesteigerter journalistischer Sorgfaltsmaßstab sowie eine Pflicht zur besonders sorgfältigen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist.
Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt.
Ist Gegenstand der Berichterstattung ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen. Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung. Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – VI ZR 93/12, Rn. 18 f.).
Voraussetzungen der zulässigen Verdachtsberichterstattung
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen demnach folgende Grundsätze eingehalten werden, damit die Berichterstattung über einen Verdacht zulässig ist: Es muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen, der die öffentliche Verbreitung des Verdacht rechtfertigt. Die Darstellung muss ausgewogen und darf nicht vorverurteilend sein. Dem Betroffenen muss eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden und es muss ein öffentliches Berichterstattungsinteresse bestehen.
Unausgewogene und vorverurteilende Verdachtsberichterstattung im Fall Metzelder
Unzulässig ist nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Vorverurteilung, also eine präjudizierende Darstellung, durch die der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt. Das Landgericht Köln hob in seinem Beschluss hervor, dass es durch die konkrete Gestaltung der Berichterstattung der BILD zu einer Vorverurteilung Metzelders käme. Die BILD-Berichterstattung sei „mindestens unausgewogen, in Teilen deutlich vorverurteilend“, so das Landgericht Köln.
Hier spielt auch der Gesichtspunkt der Unschuldsvermutung eine Rolle, der in der Abwägung des Landgerichts zu berücksichtigen war. Schließlich hielt das Landgericht Köln auch die Formulierung der BILD „schwerer Verdacht“ für irreführend und vorverurteilend. Weiter spielt im Boulevardjournalismus insoweit stets eine Rolle, ob es sich um eine ausschließlich auf Sensationen ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Darstellung handelt. Eine solche Darstellung ist dann in der Regel nicht statthaft.
Oftmals verleitet die Prominenz von Personen die Boulevardmedien zur Steigerung der Auflagenzahl oder Klickzahl dazu, über diesen Aspekt hinwegzusehen, um die Sensationsgier ihrer Leserschaft auf Kosten der betroffenen Person zu befriedigen. Auch diesen Aspekt hatte das Landgericht im Fall Metzelder zu berücksichtigen.
Bloßer Anfangsverdacht grundsätzlich für Verdachtsberichterstattung nicht ausreichend
Zudem fehlte es nach Ansicht des Landgerichts Köln im Fall Metzelder an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, der für die Richtigkeit des vermittelten Verdachts sprechen könnte. Die bloße Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens reicht grundsätzlich nicht aus, um identifizierend über einen strafrechtlich relevanten Verdacht zu berichten, da jedermann Strafanzeige erstatten kann.
In diesem Stadium der Ermittlungen besteht lediglich ein sog. Anfangsverdacht. „Die vorliegende Strafanzeige reicht hierzu ebenso wenig aus wie die auf ihrer Grundlage eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen“, heißt es in dem Beschluss des Gerichts. Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den Mindestbestand an Beweistatsachen umso höher anzusetzen sind, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Im Falle Metzelder ging es um die Verbreitung kinderpornographischer Schriften und somit um einen nicht unerheblichen Vorwurf. Es oblag der BILD, einen Mindestbestand an Beweistatsachen, der für die Richtigkeit des vermittelten Eindrucks, Christoph Metzelder verbreite kinderpornographische Schriften, darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies scheint der BILD vorliegend nicht gelungen zu sein.
Fazit: Berichterstattung der BILD war unzulässig
Das Vorgehen der BILD ist nach Auffassung des Landgerichts Köln als rechtswidrig anzusehen. Die BILD hat im Rahmen ihrer Berichterstattung nach Ansicht des Gerichts die Grundsätze einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten. Eine identifizierende Berichterstattung über einen bloßen Anfangsverdacht einer Straftat muss die Ausnahme bleiben. Dies gebietet vor allem die Unschuldsvermutung. Andernfalls läge es in der Hand des Boulevardjournalismus, über das gesellschaftliche Ansehen Prominenter zu entscheiden, sobald ein bloßer Anfangsverdacht einer Straftat besteht, d.h. Ermittlungen gerade erst aufgenommen wurden. Auf die Einhaltung der Ausnahmereglungen des Bundesverfassungsgericht und des Bundesgerichtshofes zur Verdachtsberichterstattung ist daher hinzuwirken, um für einen fairen Ausgleich der Persönlichkeitsrechte einzelner zu der Presse- und Meinungsfreiheit zu sorgen. Als Kanzlei, welche regelmäßig Betroffene einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung vertritt, begrüßen wir die Entscheidung des Landgerichts Köln.
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Titelbild: © nmann77 / AdobeStock
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