Der Vertriebsvertrag im Musikbereich – Ein Vertragstyp mit Zukunft
Der Vertriebsvertrag spielt im Musikrecht eine immer größere werdende Rolle. Hintergrund dieser Entwicklung ist vor allem ein verändertes Konsumverhalten im Bereich der Unterhaltungsindustrie. Während der Markt für physische Tonträger (CD, DVD) seit Jahren rückläufig ist, befindet sich der Markt für die nicht-physische Auswertung von Musik (insbesondere über Streaming-Anbieter) in ständigem Wachstum.
Vor dem Online-Zeitalter war man zur erfolgreichen Auswertung von Tonträgern auf die guten Vertriebswege der Major-Labels angewiesen. Hierzu musste man den Major-Labels im Rahmen von Bandübernahmeverträgen oder Künstlerverträgen regelmäßig umfangreiche Rechte an den musikalischen Aufnahmen einräumen.
Heutzutage ist es jedoch dank Spotify, iTunes, Google Play und Co. sehr einfach, Musik im Internet zu vertreiben. Auch sind die Produktions- und Vertriebskosten durch die Online-Auswertung erheblich gesunken. Immer mehr Künstler können daher die Produktion ihrer Aufnahmen selbst übernehmen und auf dem Markt als Label agieren.
Vertriebsvertrag vorteilhaft für Künstler
Daher stellt der Vertriebsvertrag mittlerweile eine echte Alternative zu den klassischen Auswertungsverträgen wie Bandübernahme- oder Künstlervertrag dar. Denn der Künstler bleibt dabei überwiegend Inhaber seiner Rechte und trägt das wirtschaftliche und organisatorische Risiko der Verwertung selbst. Dies führt zu einer weitaus höheren Beteiligung des Künstlers am Vertriebserlös.
Auch für Vertriebsfirmen bietet er eine Chance, durch angemessene Gestaltung der Rahmenbedingungen attraktive und langfristige Verträge zu schließen. Nicht wenige gehen deshalb davon aus, dass der Vertriebsvertrag künftig weiter an Popularität gewinnen wird.
Der nachfolgende Beitrag von RA David Geßner, LL.M. erläutert die wichtigsten Bestandteile von Vertriebsverträgen und zeigt auf, was beim Abschluss solcher Verträge zu beachten ist.
Vertragsgegenstand des Vertriebsvertrags mit Künstlern
Wie der Name schon vermuten lässt, wird im Rahmen des Vertriebsvertrags ein Vertriebsunternehmen mit der Durchführung von Vertriebsleistungen beauftragt. Die Herstellung von Tonträgern, das Marketing und die Promotion muss der Vertriebsgeber hingegen selbst übernehmen. Bei dem Vertriebsunternehmen kann es sich entweder um ein unabhängiges Vertriebsunternehmen oder die Vertriebsabteilungen eines Major-Labels handeln.
Physischer und nicht-physischer Vertrieb
Bei den Vertriebsverträgen ist grundsätzlich zwischen physischem und nicht-physischem Vertrieb zu unterscheiden. Beim physischen Vertrieb handelt es sich aus rechtlicher Sicht um ein Kommissionsgeschäft, während es sich beim nicht-physischen Vertrieb um einen Lizenzvertrag handelt. Denn damit das Vertriebsunternehmen die Musik über Internetplattformen öffentlich zugänglich machen und vervielfältigen kann, bedarf es zuvor der Einräumung von entsprechenden Rechten.
Allerdings werden beide Formen des Vertriebs häufig innerhalb desselben Vertrages geregelt, obwohl sich der Vertragsgegenstand unterscheidet. Dies ist auch sinnvoll, da das Vertriebsunternehmen die Vertriebsleistungen miteinander abstimmen und koordinieren kann. Durch die Kombination beider Vertriebswege kann der Vertriebsvertrag sein volles Potential entfalten. Denn die verhältnismäßig geringen Produktions- und Vertriebskosten, sowie die verbesserten Dienstleistungsangebote im Marketing und Promotionsbereich schaffen dem Vertriebsgeber eine gute Ausgangslage zur selbständigen Vermarktung seiner Aufnahmen. Nachfolgend werden daher beide Vertriebsformen zusammen behandelt.
Vertragsgebiet des Vertriebsvertrages
Während sich das Vertragsgebiet bei physischen Vertrieb meist auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, ist der nicht-physische Vertrieb meist auf eine weltweite Auswertung gerichtet. Für den Vertriebsgeber kann es jedoch auch von Interesse sein, beim nicht-physischen Vertrieb bestimmte Territorien vorerst zurückzuhalten, um zukünftige Verwertungschancen in diesen Territorien im Rahmen von weiteren Verträgen nicht zu erschweren.
Exklusive Rechteübertragung
In der Regel erfolgt im Rahmen des Vertriebsvertrags eine exklusive Übertragung von Nutzungsrechten zum Vertrieb von Tonträgern an das Vertriebsunternehmen. Dies ist konsequent, da an sich nur der Inhaber exklusiver Nutzungsrechte in der Lage ist, Dritten Sublizenzen einzuräumen. Allerdings geht der BGH (wenn auch dogmatisch wenig überzeugend) davon aus, dass es auch Inhabern eines lediglich einfachen Nutzungsrechtes möglich ist, einem Dritten davon abgeleitete einfache Nutzungsrechte einzuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 26. 03. 2009, Az. I ZR 153/06 – Reifen Progressiv).
Folglich wäre es Vertriebsunternehmen auch ohne Exklusivrechte an den Aufnahmen möglich, Streaming-Portalen einfache Nutzungsrechte daran einzuräumen. Dementsprechend wären auch Regelungen zur Übertragbarkeit von Rechten an Dritte durch das Vertriebsunternehmen überflüssig, da das Vertriebsunternehmen die eingeräumten Rechte den Portalen nicht übertragen muss, sondern ihnen lediglich einfache Nutzungsrechte einräumen kann. Allerdings werden Vertriebsunternehmen häufig auf einer exklusiven Rechteeinräumung und einer Übertragbarkeit der Rechte bestehen.
Zum einen soll vermieden werden, dass identische Songs von verschiedenen Anbietern auf Streaming Plattformen mehrfach erhältlich sind. Zum anderen will man sich im Verhältnis zu seinen Vertragspartnern (etwa Spotify, iTunes) absichern.
Nutzungsrechtekatalog
In den meisten Vertriebsverträgen ist ein bestimmter Nutzungsrechtekatalog vorgesehen. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass dabei nur die für die Verwertung absolut notwendigen Nutzungsrechte übertragen werden. Nebenrechte oder Zweitverwertungsrechte (wie z.B. das Verfilmungsrecht) sind zur Verwertung nicht notwendig und sollten daher gestrichen werden.
Nutzung auf eigenen Webseiten
Ist neben dem Vertriebsvertrag eine eigene Nutzung der Aufnahmen (etwa auf eigenen Webseiten oder Social-Media-Plattformen) zur Eigenwerbung avisiert, sollte dies zwingend im Vertrag geregelt werden. Denn im Falle der Exklusivität der Rechteübertragung ist die öffentliche Zugänglichmachung der Aufnahmen ansonsten ausschließlich dem Vertriebsunternehmen vorbehalten. Daher sollten ggf. Ausnahmen für die eigene Nutzung vereinbart werden.
Rechtegarantie
Üblicherweise enthalten Vertriebsverträge Garantie-Regelungen zur Sicherung des ungestörten Vertriebs der vertragsgegenständlichen Aufnahmen. Hier muss der Vertriebsgeber garantieren, dass keine anderen Verträge der Eingehung und Erfüllung des Vertrages entgegenstehen und die vertragsgegenständlichen Tonträger keine Rechte Dritter verletzen.
Vorsicht bei Überschneidungen mit bereits bestehenden Verträgen
Vor Abschluss eines Vertriebsvertrages sollte man als Künstler daher grundsätzlich prüfen, ob man seine Rechte überhaupt noch übertragen kann. Besteht etwa bereits ein Bandübernahmevertrag oder Künstlervertrag mit einem Label, sind darin meist bereits Online-Rechte übertragen worden. In diesem Fall kann man dem Vertriebsunternehmen keine dahingehenden Rechte mehr einräumen.
Praxistipp: Läuft ein Bandübernahme- oder Künstlervertrag aus, kann man mit dem Label über den Umstieg auf einen Vertriebsvertrag verhandeln.
Gegenseitige Pflichten beim Vertriebsvertrag
Der Vertriebsgeber verpflichtet sich regelmäßig dazu, die Aufnahmen in einem zu bestimmenden Format und mit dem erforderlichen Begleitmaterial (Artwork/Cover, Copyright-Angaben, Metadaten etc.) anzuliefern.
Pflichten des Vertriebsunternehmens werden in vielen Vertriebsverträgen meist nur sehr oberflächlich geregelt und sind oft ergänzungsbedürftig. Zu den typischen Pflichten des Vertriebsgebers im Online-Bereich gehören:
- Anlieferung der Aufnahmen und Begleitmaterialien bei Online-Portalen
- Ergreifen von Maßnahmen zur optimalen Playlistenplatzierung bei Streaming-Anbietern
- Monetarisierung von Musik- und Videoinhalten über Videoportale (z.B.YouTube)
- Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Marketingkampagnen und
- Einkauf von Werbung
Vergütung
Das Vertriebsunternehmen erhält einen prozentualen Anteil an den Vertriebserlösen für seine Vertriebsleistungen. Die übliche Beteiligung beträgt hierbei zwischen 15 und 25% der Vertriebserlöse. Dem Vertriebsgeber verbleiben somit zwischen 85 bis 75%.
Zum Vergleich: Bei einem Bandübernahmevertrag beträgt die Beteiligung des Künstlers regelmäßig nur 18 bis 25% (vom Händlerabgabepreis (HAP) bei der physischen Auswertung bzw. von den Nettoerlösen bei der nicht-physischen Auswertung). Beim Vertriebsvertrag drehen sich die Beteiligungsverhältnisse somit um.
Es gibt jedoch auch andere Beteiligungsvarianten. So lassen sich manche Vertriebsunternehmen Bereitstellungsgebühren pro Song oder pro Album auszahlen. Im Gegenzug erhält der Künstler jedoch 100 % der Vertriebserlöse.
Tipp: Generell ist darauf zu achten, welche Aufgaben des Vertriebsunternehmens mit der Vertriebsprovision abgegolten oder gesondert vergütet werden sollen. So bieten manche Vertriebsunternehmen beim physischen Vertrieb besondere Agenturleistungen an, welche gesondert zu vergüten sind.
Vorschusszahlungen an Künstler
Da sich der Vertriebsgeber selbst um die Produktion von Tonträgern, sowie um die Promotion und das Marketing kümmern muss, hat er ein großes Interesse daran, vom Vertriebsunternehmen einen Vorschuss auf die zu erwartenden Vertriebserlöse zu bekommen. Gleichzeitig liegt hierin ein Anreiz für das Vertriebsunternehmen, da es in diesem Fall ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt und folglich ein Interesse daran hat, dass sich die vertragsgegenständlichen Aufnahmen gut verkaufen.
Meist wird der Vorschuss als nicht rückzahlbar aber verrechenbar ausgestaltet. Um sicherzustellen, dass das Label den Vorschuss tatsächlich für die Produktion der Vertragsaufnahmen und die Promotion verwendet, werden meist Zweckbindungen geregelt.
Abrechnungsmodalitäten
In Vertriebsverträgen ist eine vierteljährliche Abrechnung üblich. Zum Teil lassen sich Vertriebsunternehmen vor Auszahlung des Geldes von Künstlern eine Rechnung ausstellen. Der Künstler erhält also zunächst die Abrechnungsübersicht des Vertriebs und stellt dann den Abrechnungsbetrag selbst in Rechnung. Ausstehende Beträge sind zum Teil verrechenbar mit Einnahmen des Künstlers.
Wichtig: Buchprüfungsrecht
Wie bei fast allen Verträgen im Musikbereich ist ein vertraglich festgelegtes Buchprüfungsrecht des Vertriebsgebers absolut zu empfehlen. Jedoch kommt die Geltendmachung eines Buchprüfungsrechts in der Praxis relativ selten vor, da die Kosten hierfür verhältnismäßig hoch sind und oft nicht im Verhältnis zum möglichen Ertrag stehen. Allerdings reicht meist die Andeutung der Geltendmachung aus, um den Vertragspartner zu mehr Transparenz zu bewegen. In der Regel wird auch vereinbart, dass der Vertrieb bei einer Abweichung von etwa 5 % die Kosten der Buchprüfung zu tragen hat.
Vertragslaufzeit / Auswertungszeit des Vertriebsvertrages
Vertriebsverträge weisen meist eine Vertragsdauer von wenigen Jahren auf. In der Regel verlängert sich der Verlag beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (z.B. bei Kündigung oder der Unterschreitung eines bestimmten Erlöses innerhalb eines festgelegten Zeitraums) automatisch.
Von der Vertragsdauer zu unterscheiden ist die Auswertungsdauer. Diese legt fest, wie lange das Vertriebsunternehmen die Vertragsaufnahmen nach Ende der Vertragslaufzeit auswerten darf. Zum Teil endet jedoch bereits mit dem Ablauf des Vertrages sowohl die Berechtigung als auch die Verpflichtung des Vertriebsunternehmens, die Tonträger zu vertreiben. In jedem Fall ist es erforderlich eine Regelung darüber zu treffen, wer für die im Markt befindlichen Tonträger (Retouren) und die Kostenerstattung die Verantwortung trägt.
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