„Hast du kurz zehn Minuten Zeit und 20 Zentimeter Platz?“ – Rechtliche Konsequenzen und Folgen von Prank Videos
Das Landgericht Düsseldorf (Beschl. v. 11.01.2021, Az. 12 O 309/20) hat sich Anfang letzten Jahres mit einem sog. Prank Video, das von einem YouTuber auf der Plattform TikTok ohne Einwilligung der befragten Frau veröffentlicht worden ist und dessen Folgen, auseinandergesetzt. Die betroffene Studentin wurde von dem YouTuber in einem Fußgängerbereich angehalten und gefragt: „Hast du ganz kurz zehn Minuten Zeit und 20 Zentimeter Platz?“
Die Übersetzung des englischen Wortes „Prank“ lautet „Streich“, in diesen Videoformaten geht es also darum, sein Gegenüber hereinzulegen und durch teilweise unangemessenes und hinterhältiges Verhalten eine möglichst ungehaltene, emotionale und somit für den Zuschauer besonders unterhaltsame Reaktion hervorzurufen. Die Opfer dieses Scherzes können sich darüber in Regel nur schwerlich amüsieren – insbesondere dann nicht, wenn sie keinerlei Kenntnis davon haben, dass sie gefilmt wurden und sich selbst, ein wenig später, auf einer Social Media Plattform entdecken müssen. Genauso vierhielt es sich auch in der vom Landgericht Düsseldorf zu entscheidenden Angelegenheit.
Wir wollen den Fall zum Anlass nehmen, uns im folgenden Beitrag genauer mit den rechtlichen Konsequenzen von Prank-Videos und den Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die hiervon Betroffenen ergreifen können.
Rechtliche Ausgangslage?
Ausgangspunkt für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit von Prank-Videos ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist verfassungsrechtlich in Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG verankert und spezialgesetzlich in den §§ 22 ff KUG geregelt. Das Recht am eigenen Bild stellt einen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Nach § 22 S. 1 dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung der betroffenen Person veröffentlicht und öffentlich zur Schau gestellt werden. Wie die Einwilligung erfolgen soll, ist gesetzlich nicht geregelt. Sie kann ausdrücklich erteilt werden oder sich aus den Umständen ergeben. Irrelevant ist auch, ob die Erteilung in schriftlicher oder mündlicher Form erfolgt. Für Betreiber von YouTube Kanälen ist es ratsam, sich eine schriftliche Einwilligungserklärung einzuholen. Denn das bloße Dulden einer Videoaufnahme kann nicht als konkludente Einwilligung gewertet werden.
Ausnahmsweise Einwilligung entbehrlich?
Ausnahmsweise kann eine Einwilligung in die Verbreitung oder in das öffentliche Zurschaustellen des eigenen Bildnisses jedoch entbehrlich sein. Das KUG regelt hierzu unterschiedliche Ausnahmetatbestände, deren Vorliegen stets einer Abwägung im Einzelfall unterliegen.
Bloßes Beiwerk
Eine Einwilligung kann gegebenenfalls entbehrlich sein, wenn die dargestellte Person zwar sichtbar ist, jedoch eine so untergeordnete Rolle spielt, dass sie lediglich als bloßes „Beiwerk“ qualifiziert werden kann und bei Betrachtung des gesamten Videos nur ab und zu in Erscheinung tritt, aber die Anonymität des Dargestellten durchgehend gewahrt bleibt
§ 23 KUG
(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden.
- Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; (...)
Dies wäre bei lediglich beiläufig im Hintergrund eines YouTube Videos auszumachenden Personen der Fall. Für die Beurteilung, ob eine Person als „Beiwerk“ qualifiziert werden kann, ist unter Berücksichtigung der Konzeption des Videos auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen. Maßgeblich für die Einordnung ist, dass die im Video in Erscheinung tretende Person nicht gezielt gefilmt wurde, sondern vielmehr versehentlich in den Kameraausschnitt gelangt ist. Bei Prank-Videos werden die betroffenen Personen jedoch nicht zufällig im Hintergrund eines Videos erfasst, sondern für das konkrete Video ausgewählt und befragt. Sie stellen kein bloßes Beiwerk dar, sondern sind als „Hauptdarsteller“ der Videos zu qualifizieren. Eine Einwilligung ist nicht entbehrlich.
Versammlungen, Aufzüge etc.
Gem. § 23 I Nr. 3 KUG ist eine Einwilligung auch entbehrlich, wenn es sich um Bilder von Versammlungen, Aufzügen oder vergleichbaren Vorgängen handelt, an denen die gezeigten Personen teilgenommen haben. Der Anwendungsbereich kann zwar weit gefasst werden, sodass beispielsweise auch Straßenfeste hiervon erfasst sein können, allerdings ist Hintergrund dieser Variante, dass so viele Personen bei einer in der Öffentlichkeit stattfindenden Veranstaltung gezeigt werden, dass es auf den Einzelnen nicht mehr ankommt. Zwar wurde das Video auf einer öffentlichen Fußgängerpassage aufgenommen, jedoch hat der YouTuber gerade die betroffene Studentin aus der Menge isoliert und in den Fokus des Videos gerückt.
Selbst wenn eine in § 23 KUG normierte Ausnahme einschlägig ist, dürfte gem. § 23 II KUG die Befugnis entfallen, wenn berechtigte Interessen des Dargestellten einer Verbreitung und Zurschaustellung entgegenstehen. Solche berechtigten Interessen können gerade dann vorliegen, wenn die Aufnahmen heimlich gemacht wurden, was bei Prank-Videos in der Regel immer der Fall sein wird.
Welche Optionen stehen den Betroffenen zu, die Opfer eines Pranks geworden sind?
Die in Prank- Videos dargestellten Personen können Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gemäß §§ 823 I, 1004 BGB analog geltend machen. Als Konsequenz muss das Video gelöscht werden. Zusätzlich kommen Schadensersatzansprüche und Geldentschädigungsansprüche aus § 823 I iVm Art. 2, Art. 1 I in Betracht.
Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch
Vor allem Unterlassungsansprüche spielen bei Prank-Videos eine große Rolle. Solche ergeben sich aus § 823 II; 1004 I 2 BGB analog iVm §§ 22, 23 KUG. Voraussetzung ist die Verletzung einer des Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (im vorliegenden Fall dem Recht am eigenen Bild), die Rechtswidrigkeit der Verletzung, sowie das Vorliegen einer Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr. Hierbei ist zu beachten, dass das Bestehen der Wiederholungsgefahr in der Regel durch die Erstbegehungsgefahr indiziert ist. Der Unterlassungsanspruch beinhaltet auch die Löschung von Beiträgen.
Schadensersatz
Gegebenenfalls können Betroffene auch Schadensersatz verlangen. Ein solcher Anspruch kann sich insbesondere aus §§ 823 I iVm Art. 2 I, Art. 1 I oder den § 823 II iVm einem Schutzgesetz (hier „“ 22, 23 KUG) ergeben. Voraussetzung hierfür ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts besteht bei Prank Videos, wie zuvor erläutert, in der ungefragten öffentlichen Zurschaustellung von Bildern der Betroffenen. Darüber hinaus müsste ein Schaden vorliegen, wobei gerade Anwaltskosten oder Gebühren, die für eine Abmahnung anfallen, in Betracht kommen. Darüber hinaus muss ein Verschulden vorliegen, das heißt. Der YouTuber muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Unter Fahrlässigkeit versteht man gem. § 276 II BGB das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Gerade bei Prank-Videos wird ein solcher Verschuldensvorwurf gelingen.
Hat sich der Prank darüber hinaus negativ auf die berufliche Laufbahn des Betroffenen ausgewirkt, ist ein Anspruch auf Ersatz von entgangenem Gewinn § 252 denkbar.
Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“)
Wenn die Opfer in Folge des Pranks nachweisbare seelische oder körperliche Leiden erlitten haben, ist unter Umständen auch an einen „Schmerzensgeldanspruch“, welcher im konkreten Fall strenggenommen als Geldentschädigungsanspruch bezeichnet wird, zu denkend. Ein Geldentschädigungsanspruch kommt bei besonders gravierenden Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht und ergibt sich in dem vorliegenden Fall aus § 823 II iVm Art. 2 I GG, Art. 1 I GG. Als einschränkendes Kriterium muss ein „unabwendbares Bedürfnis“ für eine Entschädigung in Geld bestehen. Die Beeinträchtigung muss so erheblich gewesen sein, dass ein Ausgleich auf andere Art und Weise, also beispielweise durch eine Löschung des Videos oder einen Unterlassungsanspruch, nicht denkbar ist.
Strafrechtliche Einordnung
Das ein „harmloser Streich“ nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen, sondern auch strafrechtliche Folgen haben kann, zeigte das im Oktober 2017 ergangene Urteil gegen den YouTuber „ApoRed“. Dieser hatte 2016 eine schwarze Tasche neben einem Geldautomaten in einer Hamburger Sparkassenfiliale geworfen und dabei gerufen, dass die sich in der Sparkassen befindenden Menschen 30 Sekunden Zeit hätten, um ihr Leben zu retten. Der YouTuber wurde deswegen erstinstanzlich wegen Körperverletzung nach § 223 StGB, als Konsequenz der bei den Opfern des Pranks ausgelösten Angstzustände und Nötigung gem. § 240 StGB verurteilt, sowie wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und wegen § 33 KUG, da die in den Aufnahmen gezeigten Personen ohne ihre Einwilligung gezeigt wurde. Denn die Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist als Straftat zu qualifizieren, welche mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann, wenn der Betroffene einen Strafantrag gestellt hat.
Fazit
Während Prank Videos dazu dienen sollen, die Zuschauer zu belustigen, wird YouTubern unter Berücksichtigung der rechtlichen Konsequenzen einer fehlenden Einwilligung, häufig das Lachen vergehen. Es empfiehlt sich daher zur Sicherheit eine schriftliche Einverständniserklärung der in ihrem Video dargestellten Hauptakteure einzuholen. Bei zufällig im Hintergrund erscheinenden Passanten gelten weniger strenge Vorgaben.
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Disclaimer: Der Inhalt dieses Beitrags ersetzt keine Rechtsberatung. Häufig hängt die konkrete rechtliche Beurteilung von den Umständen des Einzelfalls ab. Auch die Formulierungsbeispiele sind lediglich exemplarisch und sollte nicht pauschal und ohne rechtliche Prüfung für Ihren konkreten Einzelfall übernommen werden.