Die Abmahnung im Arbeitsrecht
Unter einer Abmahnung im Arbeitsrecht versteht man, dass der Arbeitgeber in einer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt, indem er den Arbeitnehmer auf dessen vertragliche Pflichten hinweist und ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam macht.
Der folgende Artikel gibt einen Einblick in das Thema Abmahnung im Arbeitsrecht.
Funktion der Abmahnung im Arbeitsrecht
Die Abmahnung im Arbeitsrecht erfüllt drei Funktionen:
- Rügefunktion
Die Funktion der Abmahnung ist es zunächst, dem Arbeitnehmer sein arbeitsvertragswidriges Verhalten deutlich zu machen. Der Arbeitgeber muss hierbei dem Arbeitnehmer das vertraglich angemessene Verhalten sowie den konkreten Verstoß des Arbeitnehmers hiergegen aufzeigen. Der Rügefunktion ist deshalb nicht Genüge getan, wenn der Arbeitgeber nur schlagwortartig den Verstoß wie z.B. mit ,,schlechter Zusammenarbeit’’, ,,Vertrauensverlust’’ beschreibt.
- Warnfunktion
Ferner muss dem Arbeitnehmer im Sinne der Warnfunktion deutlich gemacht werden, dass bei wiederholtem, gleichartigem Fehlverhalten der Inhalt oder Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Es reicht aber nach der Rechtsprechung aus, dass ,,arbeitsrechtliche Konsequenzen’’ angedroht werden.
- Dokumentationsfunktion
Schließlich soll durch die Abmahnung im Arbeitsrecht für den Wiederholungsfall und einer damit verbundenen Kündigung das monierte Verhalten dokumentiert werden. Zwar ist, sofern der Arbeitsvertrag, die Betriebsvereinbarung oder der Tarifvertrag nicht etwas Abweichendes vorsehen, die Schriftform nicht vorgeschrieben. Schriftform ist jedoch in der Praxis die Regel und wird auch erforderlich sein, da den Arbeitgeber die Beweislast für die Tatsachen, auf die er eine Kündigung stützt, und damit auch für das Vorliegen einer zulässigen Abmahnung trifft.
Die Abmahnung hat hingegen nicht den Zweck, den Arbeitnehmer zu sanktionieren bzw. zu bestrafen.
Auf welcher Rechtsgrundlage beruht die Abmahnung und was ist ihr Anwendungsbereich?
Die Abmahnung leitet sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Ultima-ratio-Prinzip im Arbeitsrecht ab. Hiernach muss die Kündigung immer das letzte Mittel darstellen, nachdem alle milderen Mittel ausgeschöpft worden sind. So muss einer Kündigung wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers regelmäßig eine Abmahnung als milderes Mittel vorausgehen. Das Erfordernis einer Abmahnung ist grundsätzlich bei jeder Kündigung – bei der ordentlichen wie auch der außerordentlichen – zu prüfen, die wegen eines steuerbaren Verhaltens des Arbeitnehmers oder aus einem Grund in seiner Person ausgesprochen wurde, welches er durch sein steuerbares Verhalten beseitigen konnte.
Letzteres ist grundsätzlich der Fall, wenn eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG 4.6.1997, AP BGB § 626 Nr. 137 = NZA 1997, 1281).
Wann ist eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich?
Einer Abmahnung im Arbeitsrecht bedarf es grundsätzlich nicht in den folgenden Fällen:
- Der Vertrauensbereich ist betroffen (z.B. bei Diebstahl, Betrug, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Verrat von Betriebsgeheimnissen etc.)
Es gibt jedoch Ausnahmefälle hiervon, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten handelt und das Vertrauen wiederhergestellt werden kann oder der Arbeitnehmer unter vertretbaren Gründen davon ausgehen konnte, sein Verhalten würde die arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzen oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen. Hierbei handelt es sich um sogenannte Bagatellverstöße.
So hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 10.6.2010 – 2 AZR 541/09 zum Fall ,,Emmely’’, wo eine in einem Einzelhandelsunternehmen angestellte Kassiererin unrechtmäßig Kundenbons für ihren Privateinkauf einlöste, entschieden, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam gewesen ist und die Abmahnung das mildere Mittel gewesen wäre. Eine pauschale Bewertung ist jedoch nicht möglich. In jedem Einzelfall sind die Umstände wie z.B. das aufgebaute Vertrauenskapital oder das Gewicht der Pflichtverletzung einzubeziehen.
- Der Arbeitnehmer kannte die Vertragsverletzung und setzt diese hartnäckig fort.
- Der Arbeitnehmer konnte unter keinen Umständen auf die Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber hoffen.
- Bei einer ordentlichen Kündigung in Kleinbetrieben, wo der Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht eröffnet ist, d.h. in denen regelmäßig maximal zehn (bzw. fünf bei Arbeitnehmern, die schon vor 2004 im Betrieb waren) oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind (ohne Auszubildende und Umschüler). Dennoch kann auch hier ausnahmsweise eine Abmahnung erforderlich sein, wenn sich der Arbeitgeber ansonsten mit einer Kündigung in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten setzen würde (BAG 21.02.2001 Az. 2 AZR 579/99).
- Bei einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung in der Probezeit, vorausgesetzt die Probezeit beträgt 6 Monate. Bei Kleinbetrieben gilt das unter dem vorherigen Spiegelstrich Erwähnte.
Müssen Betriebsrat oder die Schwerbehindertenvertretung gehört werden?
Es besteht keine Pflicht, den ,,normalen’’ Arbeitnehmer vor Aussprache der Abmahnung anzuhören. Eine Ausnahme besteht aber im öffentlichen Dienst der Länder (vgl. § 3 VI 4 TV-L), dort haben die Arbeitnehmer vor Aufnahme einer für sie ungünstigen Beschwerde oder Behauptung in die Personalakte einen Anspruch auf vorherige Anhörung. Bei Missachtung dieses Anspruchs ist die Abmahnung zumindest formell unwirksam, sie kann jedoch entsprechend wiederholt werden.
Grundsätzlich muss der Betriebsrat vor Aussprache der arbeitsrechtlichen Abmahnung nicht angehört werden. Etwas anderes gilt jedoch, wenn es sich bei der Abmahnung der Sache nach um eine Betriebsbuße handelt. Hier steht dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Bei einer Betriebsbuße handelt es sich um eine Ahndung eines Verhaltens bei Verstoß gegen eine betriebliche Bußordnung.
Handelt es sich um einen schwerbehinderten Arbeitnehmer, so ist gemäß § 178 II 1 SGB IX unverzüglich und umfassend die Schwerbehindertenvertretung anzuhören und zu unterrichten.
Kann ich durch die Abmahnung den konkret abgemahnten Sachverhalt als Kündigungsgrund verlieren?
Ja, durch die Abmahnung wird grundsätzlich der konkret abgemahnte Sachverhalt sozusagen verbraucht, d.h. er kann nicht mehr als Kündigungsgrund dienen. Denn der Arbeitgeber hat durch die Abmahnung gezeigt, dass er nach der Abmahnung dem Arbeitnehmer die Chance einräumt, sein Verhalten zu ändern und einer Kündigung somit aus dem Weg zu gehen. Hierbei hat der Arbeitgeber konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten, auf sein Kündigungsrecht bezüglich des konkret beanstandeten Verhaltens verzichtet.
Kann eine Kündigung nach einer Abmahnung nur nach einem gleichartigen Wiederholungsfall erfolgen?
Ja, so ist es. Das bereits mit der Abmahnung gerügte Fehlverhalten muss mit dem dann als Kündigungsgrund dienenden Fehlverhalten vergleichbar sein. Man sagt auch, dass die Abmahnung ,,einschlägig’’ ist, wenn ein enger Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigungsgrund vorhanden ist. Dabei müssen die Pflichtverletzungen aber nicht exakt identisch sein. Vielmehr reicht es aus, wenn die Verletzungen den gleichen Pflichtenkreis betreffen und unter einer Kategorie zusammen gefasst werden können.
Ein Beispielsfall für eine Vergleichbarkeit ist z.B., dass der Arbeitnehmer deswegen abgemahnt wurde, dass er während der Arbeit Privatanrufe tätigt und die Kündigung deswegen erfolgt, dass er während seiner Arbeitszeit am Computer online Karten gespielt hat. In beiden Fällen liegt nämlich ein Verstoß gegen die Arbeitspflicht vor.
Ein negatives Beispiel liegt jedoch vor, wenn der Arbeitnehmer, in unserem Fall ein Kassierer, immer zu spät seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreicht und deswegen abgemahnt wird, ihm aber gekündigt wird, weil die Kasse immer Fehlbeträge aufweist.
Fallstricke bei Abmahnungen wegen geringfügiger Verstöße
Ein Problem kann sich bei zahlreichen Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine weiteren arbeitsrechtlichen Konsequenzen folgen, ergeben. Der Arbeitgeber kann diese Vorgehensweise der mehrmaligen Abmahnung in der Praxis z.B. gewählt haben, wenn es sich nur um geringfügige Pflichtverletzungen handelte und der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber trotzdem aber einen wesentlichen Mehrwert im Betrieb liefert. Gerade bei leichteren Verstößen können auch mehrmalige Abmahnungen geboten sein, da bei erstmaligem Fehlverhalten gegebenenfalls noch keine negative Zukunftsprognose zu ersehen ist.
Zwar hat die Vorgehensweise der mehrmaligen Abmahnungen nicht zur Folge, dass dem Arbeitnehmer endgültig das Kündigungsrecht genommen ist. Durch die mehrmaligen Abmahnungen wird jedoch die Warnfunktion der Abmahnungen abgeschwächt. Um sich dann zu retten, muss der Arbeitgeber die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere derartige Pflichtverletzungen nunmehr zum Ausspruch einer Kündigung führen werden. Dies kann in der Überschrift durch die Bezeichnung mit z.B. ,,Letztmalige Abmahnung’’ geschehen oder, dass der Ton und Inhalt schärfer im Text der Abmahnung formuliert wird.
Rechtliche Auswirkung auf den Kündigungsschutzprozess, wenn der Arbeitnehmer die Abmahnung toleriert
Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Tatsachen für einen Kündigungsgrund liegt beim Arbeitgeber. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer sich bei Aussprache der Abmahnung zu dem damaligen Zeitpunkt nicht gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hat. Der Arbeitnehmer kann deshalb im Kündigungsschutzprozess die Richtigkeit der Abmahnung bestreiten, diese angreifen und damit, falls er Erfolg hat, schließlich die Kündigung scheitern lassen.
Wie kann man sich gegen eine Abmahnung zur Wehr setzen?
Entfernung aus der Personalakte
Liegt eine unberechtigte Abmahnung in der Personalakte vor, so steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung aus den §§ 242, 1004 BGB so wie während des Arbeitsverhältnisses auch aus Art. 17 DS-GVO (Datenschutzgrundverordnung) zu. Die Beseitigung ist erforderlich, da die Abmahnung geeignet ist, dem Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen sowie seinem Persönlichkeitsrecht zu schaden.
Eine Abmahnung ist z.B. in den folgenden Fällen unberechtigt:
- Die Abmahnung leidet an einem formellen Fehler wie z.B. der mangelnden Anhörung der Schwerbehindertenvertretung.
- Ihr liegen unrichtige oder unwahre Tatsachen zugrunde.
- Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist verletzt worden.
- Es liegt eine Verwirkung (siehe oben) vor.
- Durch ehrverletzende Unwerturteile in der Formulierung wird die Ehre des Arbeitnehmers verletzt.
- Der Abmahnung liegt eine nicht richtige rechtliche Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers zugrunde.
Ein Beseitigungsanspruch kann sich aber auch ergeben, falls die ursprüngliche Abmahnung berechtigt gewesen ist, das Recht aus der Abmahnung aber mittlerweile verwirkt (siehe oben) worden ist, weil z.B. der Arbeitnehmer sich so extrem gebessert hat und schon seit dem Zeitpunkt des Begehens der Vertragsverletzung erheblich viel Zeit vergangen ist.
Ist der Beseitigungsanspruch gegeben, kann der Arbeitnehmer die Abmahnung auch nicht mehr im Kündigungsprozess verwerten, da ein sogenanntes Verwertungsverbot vorliegt.
Gegendarstellung
Gemäß § 83 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann der Arbeitnehmer eine Gegendarstellung der Personalakte beifügen lassen. Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch entsprechend bei Betrieben, die keinen Betriebsrat haben, oder bei nicht betriebsratsfähigen Betrieben. Die Pflicht des Arbeitgebers, die Gegendarstellung der Akte beizufügen, besteht auch dann, wenn er sie für unberechtigt erachtet.
Beschwerde beim Betriebsrat
Im Falle eines Betriebsrates kann der Arbeitnehmer diesem eine Beschwerde vorlegen. Geht der Betriebsrat davon aus, dass die Beschwerde gerechtfertigt ist, so wirkt sie beim Arbeitnehmer auf Abhilfe hin (vgl. § 85 I Hs. 2 BetrVG).
Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht
Der Anspruch auf Beseitigung der Abmahnung aus der Personalakte wird mittels der Leistungsklage gegen den Arbeitgeber angestrengt. Sind objektiv ernstlich weitere ungerechtfertigte Abmahnungen zu erwarten, kann der Arbeitnehmer hiergegen mittels einer vorbeugenden Unterlassungsklage vorgehen.
Nachschieben von Abmahngründen im Prozess
Ein Nachschieben von Abmahngründen ist grundsätzlich unzulässig. Dem Arbeitnehmer bleibt es aber unbenommen, innerhalb der Grenzen der Verwirkung erneut abzumahnen. Das Landesarbeitsgericht Berlin vertritt hingegen die Auffassung, dass wenn schon Kündigungsgründe nachgeschoben werden können, dies erst recht für die Abmahnung als der Kündigung vorgeschalteten Handlung gilt.
Fazit
Die Abmahnung ist ein notwendiges Thema, mit welchem man sich vor allem als Arbeitgeber bei einer Kündigung auseinandersetzen muss. Der Beitrag hat gezeigt, dass das Thema Abmahnung im Arbeitsrecht zahlreiche Fallstricke bereithält. Falls Sie weitere anwaltliche Hilfe dabei benötigen, Ihre Ansprüche anwaltlich durchzusetzen oder Sie sich anwaltlich zur Wehr setzen möchten, kontaktieren Sie uns gerne. Unsere Anwälte für Arbeitsrecht vertreten Sie bundesweit.
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