Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V. (Wettbewerbszentrale) mahnt ausländische Onlinehändler ab
Derzeit erreichen mich wieder vermehrt Abmahnungen der Wettbewerbszentrale (Büro München) wegen Wettbewerbsverstößen. In einem aktuellen Fall wurde ein ausländischer Online-Händler mit Sitz in London von der Wettbewerbszentrale abgemahnt, weil er sich nicht an deutsche Verbraucherschutzvorschriften und Gesetze halte.
1. Wer ist die Wettbewerbszentrale?
Bei der Wettbewerbszentrale handelt es sich nach eigenen Angaben derselben um eine gemeinnützige Selbstkontrollinstitution der deutschen Wirtschaft, welche es sich zur Förderung eines lauteren Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht hat, wettbewerbswidrige Rechtsverletzungen im gewerblichen Bereich auszuräumen.
2. Was wird abgemahnt?
Mein Mandant wurde wegen unterschiedlicher Wettbewerbsverstöße im Zusammenhang mit seiner Internetpräsenz (Online-Handel) abgemahnt.
Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PangV)
Die Wettbewerbszentrale wirft meinem Mandanten zunächst vor, wettbewerbswidrig gehandelt zu haben, indem er Waren in Fertigverpackungen angeboten hat, ohne neben dem Gesamtpreis auch den sogenannten Preis pro Mengeneinheit, den sogenannten Grundpreis sowohl auf der Artikelübersichtsseite, als auch auf der Artikeldetailseite anzugeben. Zutreffend moniert die Wettbewerbszentrale, dass es sich bei der Grundpreisangabe um eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, die einem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen, handelt. Das Weglassen der Grundpreisangabe stellt daher eine wettbewerbswidrige Irreführung durch Unterlassen dar. Bei § 2 PangV handelt es sich zugleich um eine marktverhaltensregelnde Norm i.S.d. § 3a UWG zum Schutz von Verbraucherinformationen, so dass aus vor diesem Hintergrund ein Wettbewerbsverstoß zu erblicken ist. Schließlich werden durch den Verstoß gegen § 2 PangV zugleich Interessen konkurrierender Händler spürbar beeinträchtigt, so dass auch ein wettbewerbswidriges Verhalten gem. § 3 Abs. 1 UWG vorliegt.
Verstoß gegen Lebensmittelinformationsverordnung VO (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV)
Die Wettbewerbszentrale wirft meinem Mandanten des Weiteren vor, durch sein Angebot gegen die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) verstoßen zu haben, da Pflichtangaben gem. Art. 9 und 14 LMIV nicht gemacht worden sei. So schreibt Art. 14 Abs. 1 lit. A) LMIV vor, dass sämtliche verpflichtenden Informationen über Lebensmittel mit Ausnahme eines vorgeschriebenen Mindesthaltbarkeitsdatums vor Abschluss des Kaufvertrages im Fernabsatz, also vor Erklärung des Endverbrauchers, zur Verfügung gestellt werden müssen.
Da die Vorschriften der LMIV Marktverhaltensregeln zum Schutz des Verbrauchers darstellen, führt ein Verstoß dagegen zu einem Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 3a UWG.
Verstoß gegen Artikel 246 a § 4 EGBGB
Die Wettbewerbszentrale wirft meinem englischen Mandanten ferner vor, gegen die in Art. 246 a EGBG normierten Informationspflichten verstoßen zu haben. Insbesondere beanstandet die Wettbewerbszentrale, dass der gesamte Bestellablauf auf Englisch gestaltet sei und deshalb nicht den Vorgaben einer klaren und verständlichen Weise gegenüber Verbrauchern in Deutschland entsprochen werde. Auch hierin erkennt die Wettbewerbszentrale ein wettbewerbswidriges Verhalten i.S. d. § 3a UWG.
Verstoß gegen Artikel 246a Abs.2 EGBGB i.V.m. § 312g BGB
Schließlich habe sich mein Mandant wettbewerbswidrig verhalten, weil er Verbraucher nicht vor Abgabe der Bestellung auf das im Fernabsatz bestehende Widerrufsrecht gem. Art. 246a Abs. 2 EGBGB i.V.m § 312g BGB hingewiesen hat. Insbesondere muss der Verbraucher danach auf das Musterwiderrufsformular hingewiesen werden. Der Bestellvorgang meines abgemahnten Mandanten sei daher mangelhaft gewesen und stelle einen Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 3a UWG dar.
3. Was wird gefordert?
Die Wettbewerbszentrale macht in ihrer Abmahnung zum einen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche, als auch Zahlungsansprüche (Aufwendungsersatzansprüche) geltend.
Sie fordert den Abgemahnten auf, die oben genannten Wettbewerbsverstöße zukünftig zu unterlassen. Ein Unterlassungsanspruch der Wettbewerbszentrale ergibt sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG. Hierzu wird der Abgemahnte aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, durch welche er sich gegenüber der Wettbewerbszentrale verpflichtet, für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 € zu zahlen.
Neben dem Anspruch auf Unterlassung wird ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 246,10 € geltend gemacht. Dabei handelt es sich um eine Aufwandspauschale des Interessenverbandes, welche zunächst der Höhe nach nicht nachvollziehbar erscheint, jedoch von den Gerichten anerkannt wurde. Hierbei ist zu bemerken, dass die Rechtsverfolgungskosten vergleichsweise gering sind. Eine Abmahnung durch einen Rechtsanwalt würde weitaus höhere Gebühren für den Abgemahnten auslösen. Legt man etwa einen in diesem Fall realistischen Streitwert in Höhe von 25.000,00 € zugrunde, würde dies zu einer 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von ca. 1.000,00 € netto führen, die der Anwalt für das Abmahnschreiben geltend machen könnte.
4. Gelten deutsche Gesetze für ausländische Onlinehändler?
Im vorliegenden Fall liegt die Frage, ob die in deutscher Sprache gefasste Abmahnung der Wettbewerbszentrale überhaupt wirksam ist, auf der Hand, schließlich hat der abgemahnte Onlinehändler seinen Geschäftssitz doch in London und nicht in Deutschland. Warum sollten also deutsche Gesetze für ihn gelten, wird man sich fragen.
Die erste Teilantwort findet sich in den jeweiligen europäischen Verbraucherrichtlinien, welche von allen Staaten der EU umzusetzen sind. Da Großbritannien Mitglied der EU ist, sind die entsprechenden Richtlinien wie etwa die Preisangabenrichtlinie oder Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU auch von Großbritannien umzusetzen gewesen und auch umgesetzt worden. Die nationalen Vorschriften der einzelnen EU-Mitglieder weichen zwar teilweise voneinander ab, was die Verbrauchervorschriften anbelangt, jedoch wären die von der Wettbewerbszentrale monierten Verstöße auch in England wettbewerbswidrig.
Dies allein beantwortet jedoch noch nicht die Frage, ob die Wettbewerbszentrale befugt ist, einen im Ausland sitzenden Onlinehändler abzumahnen und Verstöße gegen deutsche Gesetze zu beanstanden. Die Zulässigkeit dieses Vorgehens ergibt sich vielmehr aus Art. 6 Abs. 1 der Rom-I Verordnung, welchr dem internationalen Privatrecht (IPR) zuzuordnen ist und der folgendes besagt:
Art. 6 Verbraucherverträge
(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer
a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Vorliegend übt mein Mandant seine berufliche und geschäftliche Tätigkeit zwar in England aus und nicht in Deutschland, jedoch wird man durchaus davon ausgehen müssen, dass mein Mandant seine Tätigkeit bzw. sein Angebot auch auf deutsche Verbraucher ausrichtet. Von einem solchen Ausrichten spricht man bei Vorliegen folgender Kriterien, welche keinesfalls vollständig erfüllt sein müssen:
– Angabe einer internationalen Telefonnummer
– Auswahlmöglichkeit hinsichtlich Lieferland
– Neutrale Toplevel-Domain wie .com
– Verträge mit jeweiligen Verbrauchern in der Vergangenheit
– Werbung in jeweiligem Land des Verbrauchers
Liegen mehrere dieser Kriterien vor, wird man von einem Ausrichten auf deutsche Verbraucher ausgehen müssen mit der Folge, dass deutsches Verbraucherrecht zur Anwendung kommt. Wird dieses sodann nicht beachtet, ist die Wettbewerbszentrale berechtigt, den ausländischen Onlinehändler abzumahnen und zur Unterlassung aufzufordern.
5. Muss ein Onlinehändler Pflichtinformationen- und Angaben in Deutsch formulieren?
Die nächste Frage ist, ob die Wettbewerbszentrale tatsächlich von einem ausländischen Onlinehändler verlangen kann, dass dieser Verbraucherinformationen in deutscher Sprache verfasst. § 246a § 4 EGBGB verlangt lediglich, dass dem Verbraucher die Informationen „in klarer und verständlicher“ Weise zur Verfügung gestellt werden. Es ist jedoch nirgends gesetzlich normiert, ob dies gleichbedeutend damit ist, dem Verbraucher in seiner Muttersprache zu begegnen. Wenn der Verbraucher auf englischsprachigen Seiten Ware bestellt und in der Lage ist, englische Artikelbeschreibungen und Bestellinformationen zu verstehen, kann durchaus davon ausgegangen werden, dass er der mittlerweile als üblich geltenden Vertragssprache Englisch mächtig ist und somit auch englischsprachige Verbraucherinformationen verstehen wird. Dies kann man – so auch die Wettbewerbszentrale – durchaus auch anders sehen und verlangen, dass bei der Pflicht zur Einhaltung deutscher Vorschriften, die Umsetzung derer auch in deutscher Sprache zu erfolgen hat. Letzteres würde jedoch für den Onlinehändler der in alle EU- Länder liefert, bedeuten, dass er für alle unterschiedlichen Verbraucher die jeweiligen Informationen und Bestellvorgänge in der jeweiligen Sprache bereithalten müsste. Dies geht aus meiner Sicht zu weit.
6. Wie sollte man auf die Abmahnung reagieren?
- Sie sollten zunächst Ruhe bewahren und trotz der kurz bemessenen Frist keinen direkten Kontakt mit der Wettbewerbszentrale aufnehmen, da alles was Sie sagen, in einem möglichen Prozess gegen Sie verwendet werden kann.
- Keinesfalls sollten Sie jedoch die Abmahnung ignorieren, da dies dazu führen kann, dass ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Sie eingeleitet wird, was wiederum mit hohen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten) verbunden ist.
- Es ist davon abzuraten, ungeprüft die von den Abmahnern beigefügte Unterlassungserklärung in der vorgegebenen Form unterzeichnen, da diese oft zu weit gefasst ist, so dass eine Unterzeichnung derselben weitreichende Folgen, insbesondere hohe Vertragsstrafen nach sich ziehen kann. Aus Erfahrung weiß ich, dass kleinste Fehler in der Formulierung von Belehrungen, Artikelangaben und Informationspflichten einen Verstoß gegen die unterzeichnete Unterlassungserklärung darstellen und Vertragsstrafen auslösen können. Diese sind für den betroffenen Unternehmer nicht selten existenzbedrohend.
- Generell ist es selbst bei Vorliegen der beanstandeten Verstöße nicht immer ratsam, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Beispielsweise kann eine Unterlassungserklärung, durch welche der Erklärende sich dazu verpflichtet, zukünftig den Grundpreis anzugeben, zu einem hohen Vertragsstrafenrisiko führen. Ein Onlinehändler mit mehreren tausend Artikeln kann schnell vergessen den richtigen Grundpreis anzugeben oder aber das Shopsystem versagt. Dies kann schnell zu mehreren hohen Vertragsstrafen führen. Alternativ sollte man daher erwägen, sich lieber im Klagewege verurteilen zu lassen. Zukünftige Verstöße führen dann zwar zu einem Ordnungsgeld, wenn der Kläger den Verstoß verfolgt. Dieses fällt jedoch nicht dem Kläger, sondern dem Gericht zu, so dass der Kläger kein großes Interesse haben dürfte, zukünftige Verstöße weiterzuverfolgen. Vertragsstrafen hingegen stehen dem Unterlassungsgläubiger aufgrund der Unterlassungserklärung zu.
- Auch Zahlungsansprüche sollten Sie nicht erfüllen, ohne diese durch einen auf das Wettbewerbsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. In vielen Fällen, in denen die Abmahner durch Rechtsanwälte vertreten sind, sind die angesetzten Streitwerte viel zu hoch. Hier lässt sich in der Regel im Wege des Vergleichs eine Reduzierung der verlangten Kosten erreichen.
7. So helfe ich Ihnen bei einer Abmahnung
- Ich überprüfe die wettbewerbsrechtliche Abmahnung auf Ihre Richtigkeit und das Vorliegen von Wettbewerbsverstößen.
Sollten die erhobenen Vorwürfe berechtigt sein, erarbeite ich für Sie eine individuelle Unterlassungserklärung, welche so weit wie nötig und zugleich so eng wie möglich gefasst ist, um Nachteile für Sie zu vermeiden bzw. berate Sie zu alternativen Vorgehensweisen. - Hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche strebe ich einen Vergleich zur Reduzierung der Kosten an. In vielen Fällen konnte ich erhebliche Reduzierungen der Zahlungsforderungen für meine Mandanten erreichen.
Sollte die Abmahnung teilweise oder gar gänzlich unberechtigt erfolgt sein, wehre ich die Ansprüche für Sie ab und erläutere Ihnen ausführlich die weitere Verteidigungsstrategie.
Sollten Sie eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhalten haben und anwaltliche Hilfe benötigen, kontaktieren Sie mich gern entweder über das Kontaktformular oder per Telefon. Ich vertrete Sie bundesweit.