Anke Engelke gewinnt teilweise vor dem Bundesgerichtshof (BGH) nach BILD-Berichterstattung über ihr Scheidungsverfahren
Ein Beitrag von RA David Geßner, LL.M. (Medienrecht & IP), Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und RA Marvin Schumacher, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Anke Engelke gewinnt teilweise vor dem BGH. Der BGH hatte über zwei von Anke Engelke angestrengte Verfahren im Juli 2020 über die Rechtmäßigkeit einer BILD-Berichterstattung zu entscheiden. Die Urteilsbegründung liegt seit letzter Woche vor. Anke Engelke sah sich durch die Berichterstattung der BILD in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.
Die BILD hatte über Anke Engelkes Scheidungsverfahren vor dem Amtsgericht berichtet und dabei nicht nur Details aus dem Scheidungsverfahren und Privatleben sondern auch zwei Fotos von Anke Engelke veröffentlicht. Beides wollte Anke Engelke nicht hinnehmen. Anke Engelke nahm die BILD auf Unterlassung der Bild- und Wortberichterstattung sowie auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.
Was war passiert?
Anke Engelke, eine deutschlandweit bekannte Moderatorin und Komikerin, war mit einem ebenfalls bekannten Musiker 12 Jahre verheiratet. Als Paar traten die beiden regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen auf. Zudem verband sie die Arbeit in mehreren TV-Shows. Im Jahr 2015 kam es zur Trennung.
Im Jahre 2018 veröffentlichte die BILD- Zeitung einen Artikel mit der Überschrift „Scheidung nach 12 Jahren – Anke Engelke trifft Ehemann vor Gericht“. Anlass war ein während des Scheidungsverfahrens angesetzter Gerichtstermin vor dem Amtsgericht. Der Termin fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die BILD berichtete detailliert über die Ehe und das Privatleben von Anke Engelke und ihrem Ex-Mann. Die BILD veröffentlichte zwei Fotos von Anke Engelke. Auf den Fotos ist zu sehen, wie Anke Engelke das Amtsgericht nach dem Termin verlässt.
Das Landgericht Köln verurteilte die BILD antragsgemäß zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der beiden angegriffenen Fotos sowie des von Anke Engelke angegriffenen Teils der Wortberichterstattung sowie zum Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das Oberlandesgericht Köln änderte das landgerichtliche Urteil teilweise ab und wies die Klage auf Unterlassung der angegriffenen Wortberichterstattung samt des darauf entfallenden Teils der vorgerichtlichen Anwaltskosten ab. Im Revisionsverfahren vor dem BGH begehrte Anke Engelke die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
BGH hält die Bildberichterstattung für unzulässig, die Wortberichterstattung hingegen für zulässig.
Die Revision vor dem BGH hatte jedoch nur teilweise Erfolg. Der BGH erachtete die angegriffene Bildberichterstattung wie das Landgericht und Oberlandesgericht für unzulässig. Die beanstandete Wortberichterstattung befand der BGH hingegen für zulässig.
Anke Engelke steht nach Ansicht des BGH somit ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der beiden Fotos zu. Dieser Anspruch folge aus den §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Das KUG regelt das Recht am eigenen Bild einer Person. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BVerfG, NJW 2011, 740 Rn. 52).
Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
BGH: Recht am eigenen Bild von Anke Engelke wurde verletzt
Unstreitig war, dass Anke Engelke in die Fotoveröffentlichung nicht eingewilligt hatte. Der BGH sah darüber hinaus auch keinen der Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG, insbesondere nicht den Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), als erfüllt an. Der BGH hält insoweit in seiner Urteilsbegründung Folgendes fest:
„Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt (…)
Es gehört zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit, dass die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht. Auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- und Alltagsleben prominenter Personen, nehmen grundsätzlich an diesem Schutz teil, ohne dass dieser von der Eigenart oder dem Niveau des jeweiligen Beitrags oder des Presseerzeugnisses abhängt. Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen. Auch Aspekte aus ihrem Privatleben wie beispielsweise die Normalität ihres Alltagslebens können der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (…)
Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren. Bildaussagen nehmen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (…)
Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (…). Nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (…)
Es bedarf mithin einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen (…)“
BGH: Keine Bildnisse der Zeitgeschichte
Der BGH kam in seiner Abwägung zu der Schlussfolgerung, dass die angegriffenen Fotos keine Bildnisse der Zeitgeschichte darstellen und daher das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Anke Engelke in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild überwiege.
Es lasse sich zwar ein gewisses Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dieser Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der sie begleitenden Wortberichterstattung nicht verneinen, so der BGH. Anke Engelke sei eine der bekanntesten deutschen Komikerinnen, die seit langer Zeit in der Öffentlichkeit präsent ist, also – wenn auch keine Person des politischen Lebens – eine „public figure/personne publique“, so dass Informationen zu ihrer Beziehung aufgrund ihrer Leitbild- und Kontrastfunktion durchaus einen Informationswert für die Öffentlichkeit haben können.
Bildberichterstattung unzulässig: Kein substantieller Beitrag zur Meinungsbildung
Hinsichtlich des konkreten Anlasses der Berichterstattung, dem in Wort und Bild behandelten Termin im Scheidungsverfahren, beschränke sich der Informationsgehalt der begleitenden Wortberichterstattung allerdings im Wesentlichen darauf, mitzuteilen, dass dieser Termin stattfand, die private Trennung also in ein Scheidungsverfahren mündete. Ob es tatsächlich zur Scheidung kam, erfahre der Leser dagegen nicht. Der Artikel leiste im Hinblick auf das Scheidungsverfahren somit nach Ansicht des BGH keinen substantiellen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung und sei daher im Hinblick auf die Bildberichterstattung zu unterlassen.
Wortberichterstattung zulässig: öffentliches Informationsinteresse überwiege Persönlichkeitsrecht von Anke Engelke
Demgegenüber steht Anke Engelke ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Textberichterstattung nach Ansicht des BGH nicht zu.
Die Beeinträchtigung des Rechts von Anke Engelke auf Achtung ihrer Persönlichkeit ist nach Ansicht des BGH nicht rechtswidrig. Die gebotene Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Interesses von Anke Engelke am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht der BILD auf Meinungs- und Medienfreiheit gehe zu Lasten von Anke Engelke aus.
Der BGH stellte insoweit zunächst klar, dass sich die Zulässigkeit einer Textberichterstattung nicht nach denselben Maßstäben wie die einer Bildberichterstattung richte. In der Urteilsbegründung heißt es:
„Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch einen veröffentlichten Text ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (…). Auch hier kommt zwar dem Schutz der Privatsphäre des Betroffenen besondere Bedeutung zu und hat sein Persönlichkeitsschutz umso mehr Gewicht, je geringer der Informationswert der Berichterstattung für die Allgemeinheit ist. Gleichwohl gebührt insoweit – anders als im Bereich der §§ 22, 23 KUG – dem Persönlichkeitsschutz nicht etwa schon deshalb regelmäßig der Vorrang, weil eine weder unwahre noch ehrenrührige Berichterstattung bloße Belanglosigkeiten über eine prominente Person zum Gegenstand hat, ohne einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten (…) Vielmehr ist insoweit vom Grundsatz der freien Berichterstattung auszugehen (…)
Diese unterschiedlichen rechtlichen Ansatzpunkte tragen der Tatsache Rechnung, dass es gegenüber einer Wort- oder Schriftberichterstattung typischerweise einen ungleich stärkeren Eingriff in die persönliche Sphäre bedeutet, wenn jemand das Erscheinungsbild einer Person in einer Lichtbildaufnahme oder einem Film fixiert, es sich so verfügbar macht und der Allgemeinheit vorführt. Eine Wortberichterstattung ist bei vergleichbaren Themen allerdings nicht stets in weiterem Umfang zulässig als eine Bildberichterstattung. Ein Text kann eine Dichte von Einzelinformationen aufweisen, die eine fotografische Darstellung nicht vermittelt, und das Persönlichkeitsrecht sogar stärker beeinträchtigen (…). Es ist in solchen Fällen eine Frage der einzelfallbezogenen Beurteilung, ob eine Wortberichterstattung oder die sie begleitende Bildberichterstattung die schwerwiegenderen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts mit sich bringt (…). Diese Sichtweise entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (…)“
Daher wiege die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts von Anke Engelke durch den angegriffenen Text deutlich weniger schwer als die Beeinträchtigung durch die Bilder, so der BGH. Das Interesse von Anke Engelke am Schutz ihrer Persönlichkeit überwiege das von der BILD mit der Wortberichterstattung verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit somit nicht.
Fazit: Bei Bildberichterstattung erfolgt stets Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit
Wie so häufig zeigt sich in dem vom BGH zu entscheidenden Fall Anke Engelke vs. BILD, dass in medien- und presserechtlichen Verfahren auf vorgeblich einfache Fragen (Darf die BILD Fotos von Anke Engelke veröffentlichen? Darf die BILD über das Scheidungsverfahren von Anke Engelke berichten?) keine einfachen Antworten gegeben werden können, sondern stets anhand einer Einzelfallprüfung eine umfassende Abwägung von Persönlichkeitsrechten und der Pressefreiheit durchzuführen ist.
Unsere Anwälte für Medienrecht vertreten Sie bundesweit
Daher empfiehlt es sich, sich bei unzulässigen Medienberichterstattungen stets von Fachanwälten für Medienrecht beraten zu lassen. Als auf das Medienrecht und Presserecht spezialisierte Fachanwaltskanzlei vertreten wir Mandanten, welche Opfer unzulässiger Medienberichterstattung geworden oder im Internet diffamiert worden sind, bundesweit. Nehmen Sie jetzt Kontakt zu uns auf.