Anspruch auf Kurzarbeit in der Corona-Krise
Ein Beitrag von Rechtsanwalt David Geßner, LL.M. und Valeria Podmogilini (wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Im Kampf gegen das Coronavirus greifen Regierungen kurzfristig zu drastischen Maßnahmen, die stark in den Alltag und die Rechte der Bürger eingreifen. Die Corona-Pandemie stellt Unternehmen nicht nur vor große organisatorische, sondern auch extreme wirtschaftliche Herausforderungen und trifft die Wirtschaft nun mit voller Wucht. Quarantäne-Maßnahmen, Grenzschließungen und das weitgehende Erliegen des öffentlichen Lebens in Deutschland und Europa wirken sich auf die wirtschaftliche Lage in Deutschland drastisch aus.
Die rasante Zunahme von Corona-Infektionen führt zu immer mehr Arbeitsausfällen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Unternehmen kurzfristig mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben werden. Um Beschäftigte und Unternehmen zu unterstützen wurde das Kurzarbeitergeld kurzerhand reformiert.
Das “Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld” wurde im Eilverfahren am 13. März verabschiedet und ist zwei Tage später in Kraft getreten. Die Regelungen gelten dabei rückwirkend bereits zum 1. März. Die Reform des 3. Sozialgesetzbuches und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll die Folgen der Virusausbreitung für den Arbeitsmarkt abfedern.
Bedeutung der Kurzarbeit
Das arbeitsmarktpolitische Instrument der Kurzarbeit verhindert, dass Unternehmen bei einem temporären Auftragsausfall Personal entlassen müssen und Arbeitslosigkeit entsteht. Für die Arbeitnehmer bedeutet das eine vorübergehende Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit. Wenn der Arbeitgeber die Kurzarbeit anordnet, reduziert sich anteilig auch die Vergütung der Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist das Ziel von Kurzarbeit, dass Arbeitgeber Personalkosten reduzieren, ohne Beschäftigte kündigen zu müssen und gleichzeitig zeitweise nicht benötigte Arbeitskräfte und bestehendes Know-How erhalten.
Arbeitsrechtliche Grundlagen der Kurzarbeit
Kurzarbeit bedeutet immer einen Eingriff in die Pflichten und Rechte sowohl der Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Eine gesetzliche Anordnungsbefugnis gibt es nicht. Arbeitgeber brauchen daher eine arbeitsrechtliche Grundlage, etwa eine tarifliche Ermächtigungsnorm oder eine Betriebsvereinbarung.
Typischerweise wird Kurzarbeit in der Praxis durch Betriebsvereinbarungen eingeführt. Bei der Gestaltung einer entsprechenden Betriebsvereinbarung muss besondere Sorgfalt auf deren Inhalt gelegt werden. Die Betriebsvereinbarung muss nach der Rechtsprechung mindestens den Beginn und die Dauer der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer regeln. Fehlt es an hinreichend konkreten Regelungen, ist die Betriebsvereinbarung unwirksam. Dies hat gravierende Folgen, da die Arbeitnehmer in diesem Fall ihren ungekürzten Vergütungsanspruch behalten und nicht zur Nacharbeit der gekürzten Arbeitszeit verpflichtet sind.
Einseitige Anordnung von Kurzarbeit nicht ohne Weiteres möglich
Ist kein Betriebsrat vorhanden, so ist die einseitige Anordnung auf Grundlage des Direktionsrechts des Arbeitgebers nicht ohne Weiteres möglich. Vielmehr muss der Arbeitgeber mit allen Arbeitnehmern eine individuelle vertragliche Vereinbarung über die Einführung und Ausgestaltung der Kurzarbeit treffen. Wurde im Arbeitsvertrag keine Regelung zur Kurzarbeit getroffen, kann der Arbeitgeber nur eine Änderungsvereinbarung treffen oder eine Änderungskündigung aussprechen.
Eine Änderung des Arbeitsvertrags kann nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers, unter Beachtung des Schriftformerfordernisses erfolgen. Beim Aussprechen einer Änderungskündigung sind zwingende Kündigungsfristen einzuhalten. Die Reduzierung der Arbeitszeit und des Entgelts können nur mit Ablauf dieser Fristen in Kraft treten und nur wirksam werden, wenn die Änderungskündigung auf dringenden betrieblichen Bedürfnissen beruht und auch sonstige Voraussetzungen erfüllt sind.
Voraussetzungen für die Anordnung der Kurzarbeit
Das Kurzarbeitergeld ist keine Absicherung gegen das allgemeine Betriebsrisiko. Kurzarbeit können Unternehmen beantragen, die aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Ursachen oder anderer unabwendbarer Ereignisse kurzfristig in wirtschaftliche Not geraten und hierdurch die im Betrieb angestellten Mitarbeiter nicht mehr voll beschäftigen können. Der Entgeltausfall im Betrieb muss zudem mindestens 10 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen und mindestens für 10 Prozent der Mitarbeiter drohen.
Das trifft etwa dann zu, wenn Lieferungen ausbleiben und die Produktion eingeschränkt wird. Ein wirtschaftlicher Grund kann aber auch eine Einschränkung des Kollektivkonsums sein. Von einem unabwendbaren Ereignis ist auch dann auszugehen, wenn aufgrund staatlicher Schutzmaßnahmen Betriebe geschlossen werden müssen. Ob die Voraussetzungen vorliegen, entscheidet die zuständige Bundesagentur für Arbeit. Diese hat bereits öffentlich mitgeteilt, dass Unternehmen, die durch die Folgen der Corona-Pandemie Kurzarbeit anordnen und dadurch finanzielle Einbußen erleiden, Kurzarbeitergeld bekommen können.
Was wurde in Sachen Kurzarbeit reformiert?
Mit den abgestuften Voraussetzungen soll sichergestellt werden, dass durch die Corona-Krise möglichst kein bzw. nur wenige Unternehmen in die Insolvenz geraten und so Arbeitsplatzverlust entsteht. Eine zentrale Neuerung ist die Ergänzung des § 109 SGB III um einen weiteren Absatz. Der neue § 109 Abs. 5 SGB III bestimmt, dass die Bundesregierung durch geltende Rechtsverordnung von den einzelnen Voraussetzungen in § 96 SGB III abweichen darf – um das Kurzarbeitergeld leichter und schneller möglich zu machen.
Für die Betriebe bedeutet das konkret:
- Die Nutzung von Kurzarbeitergeld besteht nur, wenn 10 Prozent der Beschäftigten (statt bisher einem Drittel) vom Arbeitsausfall betroffen sind;
- Anmeldung des Anspruchs ohne vorherige Berücksichtigung der Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter;
- Vollständige Erstattung der vom Arbeitgeber zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge.
Diese Erleichterungen bedeuten eine erhebliche finanzielle und bürokratische Entlastung für viele Unternehmen.
Ausweitung des Kurzarbeitergeldes auf Leiharbeit
In das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wurde ein neuer § 11a eingeführt, der die Bundesregierung unter denselben Voraussetzungen dazu ermächtigt, auch Leiharbeitnehmern – also Arbeitnehmern die ihre Arbeitsleistung statt an den Arbeitgeber an einen Dritten erbringen – Kurzarbeitergeld zu zahlen. Die Verordnungsermächtigungen sind bis 2021 befristet.
Wer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Soweit die Kurzarbeit im Betrieb rechtmäßig vom Arbeitgeber eingeführt wird, resultiert für Arbeitnehmer ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn die Voraussetzungen des § 95 SGB III gegeben sind. Der Arbeitgeber beantragt Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist und der Betrieb alles unternommen hat, um ihn zu mindern.
Arbeitnehmer erhalten dann 60 Prozent ihres ausgefallenen Nettolohns für die ausfallende Arbeitszeit. Bei Arbeitnehmern mit Kind sind es 67 Prozent. Das Nettogehalt bei Kurzarbeit setzt sich somit aus zwei Komponenten zusammen, dem regulären Gehalt und dem Kurzarbeitergeld. Beim letzteren handelt es sich um eine sog. Entgeltersatzleistung. Den Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben nur Arbeitnehmer, die in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind, geringfügige Beschäftigte und Selbständige sind davon daher ausgenommen.
Fazit:
Kurzarbeit ist ein geeignetes Mittel, um die durch das Coronavirus verursachten wirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern und sowohl die Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zu unterstützen.
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