BGH spricht Musikindustrie Schadensersatzansprüche und Anwaltsgebühren zu
Mit einem Paukenschlag meldet sich der Bundesgerichtshof (BGH) in der unaufhörlichen Diskussion über Beweislast bei Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen und über die Höhe des Schadensersatzes zurück. Sind noch die jüngsten Entscheidungen des BGH zugunsten der Internetnutzer ausgegangen, sprechen die drei am 11.06.2015 ergangenen Urteile eine ganz andere Sprache. Fakt ist nun, dass jeder, der sich trotz der allgemein bekannten Abmahngefahr dennoch wagt, Musik, Filme oder TV-Serien in Tauschbörsen herunterzuladen und somit sogenanntes urheberrechtswidriges Filesharing betreibt, damit rechnen muss, dass er von den Rechteinhabern der Musikindustrie kostenpflichtig abgemahnt und auf Erstattung von Schadensersatz in Anspruch genommen wird.
Doch nun zu den brandneuen Entscheidungen des BGH vom 11.06.2015 (Az.: I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14):
Festzustellen ist zunächst, dass alle drei Verfahren zu Lasten der beklagten Anschlussinhaber ausgingen und keiner der Beklagten die Vermutung seiner Täterschaft widerlegen konnte. Diese wird seit langem von der Rechtsprechung konstatiert, um den Rechteinhabern, welche keinen Einblick in die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse des Anschlussinahabers haben, die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erleichtern. Der abgemahnte Anschlussinhaber muss konkret darlegen, dass auch eine andere Person die gerügte Rechtsverletzung begangen haben könnte, weil sie zur Tatzeit Zugriff auf den Internetanschluss des Abgemahnten hatte.
In den vom BGH entschiedenen Fällen ist den Beklagten dies jedoch nicht gelungen. Sie scheiterten mit ihren Einwänden. Einmal mehr wurden die Ermittlungsmethoden zur Ermittlung der IP-Adressen der Täter als zuverlässig erachtet, so dass es nicht genügen könne, zu behaupten, dass hier grundsätzlich auch Fehler passieren könnten. Hier hätten die Beklagten konkret darlegen müssen, warum Zweifel an der Richtigkeit der ermittelten Ergebnisse vorliegen.
Was war passiert?
Vier namhafte Tonträgerherstellerinnen verklagten in drei Verfahren Inhaber von unterschiedlichen Internetanschlüssen, über welche Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen begangen wurden. Gegenstand der Urheberrechtsverletzungen war eine Vielzahl von Musiktiteln, an denen die Klägerinnen Rechte halten. Um die Täter der Rechtsverletzungen zu ermitteln, beauftragten die Klägerinnen ein Softwareunternehmen namens proMedia. Die Ermittlungsergebnisse ergaben sodann, dass am 19.06.2007, am 19.08.2007 und am 17.12.2007 über die IP- Adressen der Beklagten Musiktitel, an denen die Klägerinnen Rechte haben, im Rahmen von Filesharing-Tauschbörsen rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht und zum Herunterladen angeboten wurden.
Die Klägerinnen, welche sich in Ihren Tonträgerherstellerrechten verletzt sahen, beauftragten spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien damit, die Beklagten kostenpflichtig abzumahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie Erstattung von Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten aufzufordern. Da die Beklagten die Zahlungsforderungen außergerichtlich nicht erfüllten, nahmen die Klägerinnen sie auf Schadensersatz sowie auf Ersatz der Abmahnkosten in Anspruch. Nachdem die Beklagten auch in der Berufungsinstanz verloren, das Oberlandesgericht (OLG) das Rechtsmittel der Revision jedoch zuließ, beharrten die Beklagten auch vor dem BGH auf ihren Anträgen auf vollständige Klageabweisung. Der BGH hat jedoch die Revisionen der Beklagten zurückgewiesen.
Erstes Verfahren: Der Beklagte bestreitet die Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse
In dem Verfahren zum Aktenzeichen I ZR 19/14 hat der Beklagte die Richtigkeit der Rechercheergebnisse des Softwareunternehmens sowie der Auskunft des Internetproviders bestritten und zudem gänzlich bestritten, dass er oder einer in seinem Haushalt lebenden Personen Musik in Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht und zum Herunterladen angeboten haben. Im Rahmen der 2. Instanz vor dem OLG kam jedoch zu Tage, dass der Rechner des Beklagten zum streitgegenständlichen Tatzeitpunkt eingeschaltet und auch mit dem Internet verbunden war. Die Ehefrau des Beklagten kam ungünstigerweise nicht als Alternativtäterin in Frage, da sie nicht über die nötigen Administratorrechte verfügte, um Filesharing-Software oder sonstige Programme auf dem Rechner des Beklagten zu installieren. Auch der zum fraglichen Zeitpunkt 17-jährige Sohn des Beklagten kam nicht als Täter der Urheberrechtsverletzung in Frage, da er das Zugangspasswort zur Nutzung des Rechners des Beklagten nicht kannte. Insgesamt waren die Gesamtumstände für den Beklagten mehr als misslich. Dem Beklagten gelang es nicht, die gegen ihn streitende Täterschaftsvermutung zu widerlegen.
Beklagter unterliegt vor dem Landgericht (LG) und dem Oberlandesgericht (OLG)
Nach dem oben Gesagten verlor der Beklagte folglich vor dem Landgericht (ZUM-RD 2013, 74) und war nach eingelegter Berufung auch in der 2. Instanz vor dem OLG (ZUM-RD 2014, 495) nicht erfolgreich. Das OLG würdigte die in den beiden Instanzen erfolgten Beweisaufnahmen dahingehend, dass es keinen begründeten Zweifel daran geben kann, dass die Musikdateien vom Beklagten öffentlich zugänglich gemacht wurden und dies über den Internetanschluss des Beklagten erfolgte.
BGH: Rechtsverletzung über Anschluss des Beklagten steht fest
Der BGH schloss sich der Auffassung des Berufungsgerichts an und führte aus, dieses habe zutreffend angenommen, dass die Ermittlungsergebnisse des Softwareunternehmens sowie des Auskünfte des Internetproviders richtig sind und somit unzweifelhaft feststehe, dass die streitgegenständlichen Musikwerke über den Internetanschluss des Beklagten rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Allein die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen Fehler geschehen können, reiche nicht aus, um die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse zu erschüttern. Vielmehr hätte der Beklagte substantiiert und konkret darlegen müssen, dass in seinem Fall Fehler unterlaufen sind. Dies konnte der Beklagte jedoch nicht. Er trug lediglich vor, sein Name sei in der Auskunftstabelle fehlerhaft wiedergegeben worden. Dies stellt nach Auffassung des BGH jedoch keinen erheblichen Fehler, der die Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse in Zweifel ziehen könnte, dar.
Zweites Verfahren: Beklagter behauptet urlaubsbedingte Abwesenheit
Der Beklagte im 2. Verfahren zum Aktenzeichen I ZR 75/14 bestritt ebenfalls die Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse des von der Klägerin beauftragten Softwareunternehmens. Der Beklagte trug vor, die ermittelte, angeblich seinem Internetanschluss zuzuordnende IP-Adresse hätte nichts mit ihm zu tun. Die fragliche Urheberrechtsverletzung sei weder von ihm noch von anderen in seinem Haushalt lebenden Personen begangen worden. Der Beklagte behauptete, dass weder er noch seine Familie die fraglichen Musikdateien in einer Tauschbörse zum Download angeboten haben könnten, da sie sich zur Tatzeit im Familienurlaub befunden hätten. Zuvor habe man den Rechner ausgeschaltet und sowohl den Stecker des Rechners als auch des Routers aus der Steckdose gezogen.
OLG weist Berufung des Beklagten zurück, weil kein alternativer Täter genannt
Während der Beklagte in 1. Instanz noch vor dem LG obsiegte, (BeckRS 2012, 23832), unterlag der Beklagte in der Berufungsinstanz vor dem OLG (BeckRS 2014, 14428). Die Beweisaufnahme, im Rahmen derer sowohl ein Mitarbeiter des Softwareunternehmens als auch die Familienangehörigen des Beklagten als Zeugen vernommen wurden, ergab, dass die Urheberrechtsverletzung entgegen dem Vortrag des Beklagten über dessen Anschluss begangen wurde. Die als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beklagten vermochten die Behauptung des Beklagten, er und seine Familie seien im Urlaub gewesen, nicht glaubhaft zu bestätigen. Das OLG hat die Zeugenaussagen jedenfalls nicht geglaubt. Da der Beklagte nicht konkret vortragen konnte, dass außer ihm auch jemand anderes die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte oder begangen hat, blieb es bei der geltenden Vermutung der Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber. Der Beklagte ging daraufhin in Revision und verfolgte seinen Antrag auf Klageabweisung vor dem BGH weiter.
BGH: urlaubsbedingte Abwesenheit nicht durch Beklagten nachgewiesen
Der BGH schloss sich der Auffassung des OLG an und führte aus, dass der Beklagte nicht habe beweisen können, dass er schon am 18.06.2007 in den Urlaub gefahren ist und dass er zuvor Router und Rechner vom Stromnetz getrennt hat. Die Zeugenaussagen der beiden Söhne und der Ehefrau des Beklagten seien nicht glaubhaft gewesen. Somit sei dem Beklagten der Beweis nicht gelungen. Da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht gerecht wurde und er nicht konkret vortragen konnte, dass außer ihm auch ein Dritter als möglicher Täter der Rechtsverletzung in Frage kommt, blieb es bei der Verantwortlichkeit des Beklagten als Täter, mit der Folge, dass der Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz und Erstattung von Rechtsanwaltskosten verurteilt wurde.
Drittes Verfahren: Tochter ist Täterin der Rechtsverletzung
In dem dritten vom BGH entschiedenen Fall zum Aktenzeichen I ZR 7/14 lebte die Beklagte mit Ihren beiden Kindern (16-jähriger Sohn und 14-jährige Tochter) in einem Haushalt zusammen. Alle drei nutzten das Internet. Nachdem ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in die Wege geleitet wurde, gestand die Tochter, die streitgegenständlichen Musikdateien heruntergeladen und dadurch anderen Nutzern öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Zu ihrer Verteidigung bringt die Beklagte vor, das Geständnis ihrer Tochter sei nicht verwertbar gewesen. Im Übrigen habe die Beklagte ihre Tochter im Vorfeld ordnungsgemäß darüber belehrt, dass diese keine Rechtsverletzungen über Internettauschbörsen begehen darf.
OLG: Beklagte hat Aufsichtspflicht verletzt
Die Klägerin siegte zunächst vor dem LG. Eine Zeugenvernehmung der Tochter konnte die Beklagte nicht entlasten. Das LG sah eine Verantwortung der Beklagten als gegeben an. Insbesondere hatte die Tochter der Beklagten nicht bestätigt, dass sie konkret zum Umgang mit Tauschbörsen belehrt wurde. (BeckRS 2015, 01702). In der Folge blieb auch die Berufung der Beklagten vor dem OLG ohne Erfolg (BeckRS 2014, 12307). Das OLG hatte nach der erfolgten Beweisaufnahme keine Zweifel daran, dass die Tochter der Beklagten die Tat wie von dieser selbst eingeräumt begangen hat und konstatierte eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB.
BGH: Beklagte ist Beweis einer ordnungsgemäßen Belehrung schuldig geblieben
Der BGH bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts. So habe sich das Berufungsgericht nicht nur auf das polizeiliche Geständnis gestützt, sondern seiner Entscheidungsfindung vor allem die Zeugenaussage der Tochter zugrunde gelegt. Hierbei habe die Tochter nach erfolgter Belehrung durch das Gericht das Geständnis bestätigt, so dass Rechtsfehler nicht zu erkennen seien. Der BGH bestätigte weiter auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei als Mutter der minderjährigen Täterin auch verantwortlich für die Urheberrechtsverletzung und habe den entstandenen Schaden aufgrund der Verletzung ihrer Aufsichtspflichten auch gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ersetzen.
Dabei betonte der BGH, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht bereits dadurch genügen, indem sie ihr normal entwickeltes Kind, welches grundlegende Gebote und Verbote befolgt, darüber belehren, dass die Teilnahme an Internettauschbörsen rechtswidrig ist und ihm dies verbieten. Hier bekräftigt der BGH seine bereits bekannte Auffassung, dass Eltern ihre Kinder nicht grundlos überwachen und/oder den Internetzugang (teilweise) sperren müssen, solange es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Kind entgegen dem Verbot der Eltern eine Rechtsverletzung begehen könnte (BGH, GRUR 2013, 511 – Morpheus). Jedoch sei eine ordnungsgemäße Belehrung unabdingbar. Diese habe die Beklagte nicht beweisen können. Das Vorbringen der Beklagten, sie habe ihre Kinder allgemein zu einem „ordentlichen Verhalten“ belehrt, reiche nach Ansicht des BGH nicht aus, um die oben genannten Belehrungspflichten als erfüllt zu betrachten.
BGH hält 200 Euro Schadensersatz pro Musiktitel für angemessen
Für die Musikindustrie stellen die Urteile des BGH jedoch vor allem in finanzieller Hinsicht einen Erfolg dar. So hat der BGH festgestellt, dass das Berufungsgericht fehlerfrei davon ausgegangen ist, dass nach der Lizenzanalogie für jeden einzelnen Musiktitel ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 200 Euro angemessen ist. Bei 15 Musiktiteln bestehe somit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.000,00 €. Ferner habe das Berufungsgericht den Klägerinnen auch zutreffend einen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten zugesprochen, wobei diese anhand des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu bemessen seien.
Fazit
Die Entscheidungen des BGH stellen einen klaren Erfolg für die Musikindustrie dar. Versuchte man innerhalb der Politik gerade erst noch, das Versenden von Massenabmahnungen zu stoppen, indem man unter anderem das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedete, welches Neuerungen des Urheberrechts mit sich brachte und die Abmahngebühren drastisch reduzierte, vertritt der BGH mit seinen aktuellen Entscheidungen die Auffassung, dass ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 200,00 € pro rechtswidrig zum Download angebotenen Musiktitel angemessen ist. Bislang gingen die Auffassungen der Gerichte hier weit auseinander, so dass Schadensersatzansprüche zwischen 10-200 € pro Titel zuerkannt wurden. Nunmehr werden Rechteinhaber jedoch stets versuchen, Ansprüche in Höhe von 200,00 € pro Musiktitel geltend zu machen und bei vielen Gerichten auf Zustimmung stoßen.
Des Weiteren ergibt sich aus den Entscheidungen des BGH ganz klar, dass ein abgemahnter Anschlussinhaber zu seiner Entlastung stets einen alternativen Geschehensablauf darlegen muss, aus dem sich ergibt, dass jemand anderes die Rechtsverletzung begangen haben könnte. Nicht ausreichend wird es in Zukunft sein, seine Täterschaft damit zu versuchen zu widerlegen, dass man während der Tatzeit nachweislich abwesend war. Dies macht es daher insbesondere für allein lebende Anschlussinhaber schwierig.
Schließlich hat der BGH einmal mehr bestätigt, dass Eltern für ihre Kinder haften, wenn sie diese nicht nachweislich ordnungsgemäß darüber belehrt haben, dass sie das Internet nicht zur Nutzung von Tauschbörsen missbrauchen dürfen und es ihnen nicht verboten haben, da sie dann ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.
Durch die aktuellen Entscheidungen wird sich die Musikindustrie darin bestärkt sehen, weiterhin massenhaft abzumahnen, so dass die Abmahnwelle vorerst kein Ende nehmen wird.
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