Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Cybermobbing – Welche Ansprüche Betroffene haben
Ein Beitrag zum Thema Cybermobbing von RA David Geßner, LL.M., Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Experte für den Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Aufgrund der rasanten Entwicklung des Internets zu einer der zentralen Kommunikationsplattformen gilt Cybermobbing seit einigen Jahren als eines der größten Risiken für das Persönlichkeitsrecht. Dies ist nicht zuletzt auch auf die in der Gesellschaft gewachsene Bedeutung von Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram zurückzuführen.
Wird man sich darüber bewusst, dass man die Beiträge in sozialen Netzwerken nicht nur anonym verfassen kann, sondern dass diese auch weltweit eingesehen, geteilt und geliked werden können, so nimmt Mobbing im Internet eine viel größere Dimension ein, als dies im Rahmen persönlicher Dialoge möglich wäre.
Cybermobbing ist, wie vielleicht von vielen gedacht, kein Phänomen, welches nur unter Jugendlichen vorkommt. Auch unter Erwachsenen kann es immer wieder Mittel einer gezielten Schädigung und Diffamierung anderer Personen sein, beispielsweise am Arbeitsplatz, unter Mitbewerbern oder aber auch bei Familienstreitigkeiten.
Wo findet Cybermobbing statt? / Welche Formen nimmt es an?
Grundsätzlich unterscheiden sich die Erscheinungsformen von Cybermobbing kaum von bereits bestehenden ehrverletzenden Äußerungen im Internet.
Cybermobbing tritt am häufigsten in sozialen Netzwerken auf. Die diffamierenden Äußerungen, welche Straftatbestände i.S.d §§ 185 ff. StGB darstellen, werden dabei an Pinnwände geschrieben oder es werden Fotos oder Videos manipuliert und im Internet hochgeladen. Anders als Beleidigungen, welche direkt gegenüber dem Opfer erfolgen, weist Cybermobbing einen größeren Unrechtsgehalt auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass solche Äußerungen im Internet mannigfaltig geteilt werden können und zu jeder Tages- und Nachtzeit auf diese zugegriffen werden kann. Erschwerend hinzu kommt die rasante und einfache Möglichkeit der Verbreitung der ehrverletzenden Äußerungen.
Zudem ist es oft so, dass solche Äußerungen eine noch schwerwiegendere Persönlichkeitsrechtsverletzung des Opfers darstellen, da die Beleidigung nicht privat erfolgt, sondern eine unbestimmte Anzahl von Nutzern Einsicht hat und diese dann auch oft, in Form von weiteren beleidigenden Kommentaren, an der Verletzung mitwirken. Dies führt zu einer Prangerwirkung der Ehrverletzung, welche typisch für Cybermobbing ist.
Cybermobbing durch Fakeprofile und auf Bewertungsportalen
Heutzutage wird auch nicht mehr davor zurückgeschreckt Fakeprofile zu erstellen, sei es, um ungehindert Personen im Internet zu mobben oder um sich als die Person auszugeben, welche diffamiert werden soll und dann peinliche Bilder oder Kommentare hochzuladen. Das LG Memmingen (Az.: 21 O 1761/13) hatte in diesem Zusammenhang einen Fall zu entscheiden, bei welchem massive Beleidigungen eines Mitschülers unter Verwendung von falschen Internetaccounts auf Facebook getätigt wurden. Dabei erstellte der Beklagte unter Verwendung von Fotos und Namen des Opfers einen Fakeaccount und behauptete, dass der Betroffene kleine Kinder vergewaltigen würde.
Doch auch Bewertungsportale können Schauplätze von Cybermobbing sein. Es können beleidigende oder auch schlichtweg unwahre Behauptungen über den zu Bewertenden aufgestellt werden, so dass der Betroffene nicht nur in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt ist, sondern auch nachhaltig negativ in seinem Ruf beeinträchtigt ist.
Auch die anonyme Verbreitung von bösen Gerüchten wird durch solche Portale leicht gemacht und hat dabei katastrophale Auswirkungen für die Betroffenen. Beispielsweise erlangen nicht nur Lehrerkollegen in der Schule Kenntnis von diesen Gerüchten, sondern auch der Nachbar oder sogar der zukünftige Arbeitgeber kann sich so im Internet ungeniert über eine Person informieren.
Recht auf ungehinderte Entfaltung des Persönlichkeitsrechts
Auch manche Eltern machen vor Mobbing im Internet von minderjährigen Kindern nicht Halt. Im Fall des Cybermobbings eines 10-jährigen Kindes durch die Mutter einer Mitschülerin, welche auf ihrem Facebook-Profil einen Beitrag veröffentlichte, in dem sie die Mitschülerin als „asozialen Abschaum“ und „Abschaum Blag“ bezeichnete, entschied der BGH, dass gerade Kinder ein Recht auf ungehinderte Entfaltung der Persönlichkeit haben und diese besonders schützenswert sind.
In dieses Recht kann auch durch einen Facebook-Eintrag oder Instagram-Post eingegriffen werden. Für den BGH war dabei auch nicht alleine auf die Breitenwirkung des Eintrages abzustellen, sondern auch auf die Wirkung der beleidigenden Äußerungen auf das Kind selbst, sowie Umstand und Anlass der beanstandeten Äußerungen.
Wie ist die Rechtslage bei Cybermobbing?
Eines der größten Probleme im Zusammenhang mit Cybermobbing ist, dass die Beleidigungen meist anonym verfasst werden und damit eine rechtliche Verfolgung erschwert ist.
Bis vor nicht allzu langer Zeit war es für Betroffene von Cybermobbing kaum möglich, die hinter einem Hasspost stehende Person ausfindig zu machen. Nach der Rechtsprechung des BGH hatte der Betroffene nämlich keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Nutzungsdaten des Verletzers gegenüber den jeweiligen Plattformbetreibern. Für dieses Vorgehen fehlte es laut Rechtssprechung an einer gesetzlichen Grundlage. Schlussfolgernd hieß dies für den von Cybermobbing Betroffenen, dass dieser nicht gegen den eigentlichen Verletzer vorgehen konnte, sondern seine Ansprüche beispielsweise gegen den Plattformbetreiber richten musste.
Selbst wenn sich der Verletzer zu erkennen gab, war es für den Betroffenen schwierig, die Persönlichkeitsrechtsverletzung zu beweisen. Der Verletzer hat nämlich die Möglichkeit, sich zu entlasten. Dabei trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast, das heißt, wenn er darlegen kann, dass eine andere Person seinen Account unbefugt benutzt hat, obwohl dieser ausreichend gesichert war, er nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.
Handelt es sich jedoch um nicht geschützte Foren oder Blogs, sind an die Darlegung von Beweisen durch das Mobbingopfer höhere Anforderungen zu stellen. Es muss bewiesen werden, dass die verletzende Äußerung tatsächlich vom Anspruchsgegner stammt.
Auskunftsansprüche gegen Provider nach dem NetzDG
Die Situation hat sich jedoch durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zugunsten der Mobbingopfer geändert. Zweck des NetzDG ist es, Hassrede, strafbare Fakenews und weitere strafbare Inhalte auf den Plattformen sozialer Netzwerke wirksamer zu bekämpfen. Zu nennen sind z.B. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und Bedrohung.
Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet haben etwa bei Beleidigungen und Verleumdung einen Anspruch gegen den jeweiligen Diensteanbieter wie Facebook auf Auskunft über die Daten der Verletzer. Auf diese Weise kann der Betroffene gegen den bis dahin anonymen Verletzer zivilrechtlich und strafrechtlich vorgehen.
Als prominentestes aktuelles Beispiel für derartige Auskunftsansprüche ist sicherlich der Fall Renate Künast zu nennen. Hier hatte das Landgericht Berlin zunächst in absurder Art und Weise klare Schmähungen ohne jeglichen Sachbezug als noch zulässig erachtet und damit Frau Künast den Weg für Auskunftsansprüche nach dem NetzDG gegen Facebook versperrt. Nach dem Einlegen von Rechtsmitteln hatte sich das LG Berlin sodann teilweise korrigiert und das Kammergericht hat weitere Äußerungen als strafrechtlich relevant eingestuft.
Mitglied des Fachausschusses NetzDG der FSM
Rechtsanwalt David Geßner, LL.M. ist Mitglied des Fachausschusses NetzDG der FSM (freiwillige Selbstkontrolle Multimedia Diensteanbieter e.V.). Als solches prüft er regelmäßig Beschwerden von Instagram- und Facebook-Nutzern nach dem NetzDG, welche Facebook an die FSM zur Prüfung weiterleitet. Die sozialen Netzwerke fühlen sich an die Entscheidungen der FSM- Prüfausschüsse, welche über die Rechtswidrigkeit von Posts entscheiden, gebunden.
Welche Möglichkeiten gibt es gegen Cybermobbing vorzugehen?/ Welche Ansprüche gibt es ?
Wurde das Persönlichkeitsrecht durch Cybermobbing im Internet verletzt, stehen dem Betroffenen eine Reihe von Ansprüchen zur Seite, um diese Rechtsverletzung möglichst schnell und effizient zu unterbinden. Dabei ist vor allem Jugendlichen oft nicht bewusst, welche schweren rechtlichen Folgen ihr Verhalten hat.
Unterlassungsanspruch
Zunächst hat der Betroffene von Mobbing im Internet einen Anspruch auf Unterlassung der verletzenden Handlung. Dieser Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog, Vorschriften, die nicht nur das Eigentum einer Person unter Schutz stellen, sondern u.a. auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Geschützt wird vor allem die Entfaltung und Achtung der individuellen Persönlichkeit. Bei Äußerung einer Beleidigung gegenüber einer anderen Person wird das Persönlichkeitsrecht verletzt.
Bei einem Unterlassungsanspruch muss die Gefahr einer Wiederholung der verletzenden Handlung gegeben sein. Diese Gefahr wird aber schon dann angenommen, wenn eine solche Verletzung bereits eingetreten ist. Die Wiederholungsgefahr kann der Verletzer nur durch die Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen.
Beseitigungsanspruch
Neben dem Unterlassungsanspruch kann auch ein Anspruch auf Beseitigung der verletzenden Äußerung gegeben sein. Dieser wird sich häufig nur auf die Löschung einzelner beanstandeter Äußerungen beziehen. Sind diese im Zusammenhang mit einem umfangreichen Text aufgestellt worden, so ist zu überprüfen, ob es möglich ist, diese vom Gesamttext zu trennen. Besteht eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen auch noch nach Entfernung der einzelnen Bemerkungen fort, etwa weil der restliche Text immer noch auf die Verletzung angelegt ist, so kann im Einzelfall auch die Löschung des gesamten Texts verlangt werden.
In diesem Zusammenhang kann der Verletzer auch dazu angehalten werden, Dritte zu einer Löschung zu bewegen, beispielsweise Suchmaschinenbetreiber, wenn diese den beanstandeten Text bereits übernommen haben.
Teilweise kann sogar von dem Betreiber der Plattform verlangt werden, den Account von welchem die rechtsverletzenden Handlungen begangen wurden, vorübergehend zu sperren. Dabei muss jedoch die Meinungsfreiheit des Verletzers mit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abgewogen und berücksichtigt werden.
Schadensersatz
Auch ein Anspruch auf Schadensersatz kommt in Betracht. Schwierigkeiten wird es dabei meist im Hinblick darauf geben, dass der konkrete Schaden auf das schädigende Ereignis zurückzuführen sein muss.
Vor allem bei Cybermobbing aufgrund wirtschaftlicher Beweggründe wird es schwierig sein, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass dem Betroffenen durch die aufgestellten Behauptungen ein wirtschaftlicher Vorteil entgangen ist und er so einen Schaden erlitten hat. Wirken sich die ehrverletzenden Handlungen jedoch über einen längeren Zeitraum aus, wird es umso schwieriger werden, zu beweisen, dass dies wirtschaftliche negative Auswirkungen auf ein Unternehmen hat.
Einfacher wird die Geltendmachung von Anwaltskosten sein, die erforderlich waren, um die verletzenden Handlungen zu unterbinden. Dabei können nach einhelliger Rechtsprechung auch die Kosten geltend gemacht werden, die der Betroffene aufwenden musste, um die sozialen Netzwerke oder auch Suchmaschinenbetreiber zu einer Löschung der rechtswidrigen Inhalte zu bewegen (OLG München Az.: 6 U 444/14 ).
Geldentschädigung
Des weiteren kann der Betroffene einen Anspruch auf Geldentschädigung haben. Dieser ergibt sich bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts aus § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
Dieser Anspruch wird allerdings nur gewährt, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und diese Verletzung auch nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann.
Schwerwiegende Verletzungen werden dabei angenommen, wenn in die Intimsphäre eingegriffen wird oder bei massiven Beleidigungen, welche öffentlich verbreitet werden und eine Vielzahl an Personen darauf zugreifen können.
Mittlerweile gesteht der BGH einen Geldentschädigungsanspruch auch bei wiederholten und andauernden verletzenden Handlungen zu, welche für sich genommen keinen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen. Jedoch beschränkt er die Anwendung auf rechtswidrige Bildnisveröffentlichungen. Bei verletzenden Äußerungen wird ein Geldentschädigungsanspruch dagegen nur zugesprochen, wenn diese nicht nur andauernd sind, sondern im Vergleich zu den bereits erfolgten Äußerungen auch vergleichbar sind.
Folgenbeseitigungsanspruch
Mit der Entscheidung des BGH vom 16.8.2016 (VI ZB 17/16 LG Koblenz, AG Andernach) wurde festgestellt, dass bei verletzenden Äußerungen auf Facebook dem sogenannten Folgenbeseitigungsanspruch eine eigene Stellung zukommt. Dieser führt laut Rechtssprechung bei einer im Internet getätigten Persönlichkeitsrechtsverletzung zu einer Erhöhung des Streitwerts des Unterlassungsanspruchs.
Der Anspruch auf Folgenbeseitigung führt außerdem dazu, dass dem Betroffenen eine Veröffentlichung der strafbewehrten Unterlassungserklärung oder eines entsprechenden Urteils zusteht. Ziel dieser Veröffentlichung muss primär die Beseitigung der verletzenden Handlung sein und darf nicht nur der Befriedigung des Betroffenen dienen.
Fazit: Cybermobbing muss nicht hingenommen werden
Dem vom Cybermobbing Betroffenen stehen aufgrund des zivilrechtlichen Rechtsschutzes eine Reihe von Ansprüchen zur Seite, mit denen er sich effektiv gegen ehrverletzende Äußerungen im Internet wehren kann. Die Entscheidung des BGH zum Folgenbeseitigungsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen wird für künftige Urteile sehr wichtig sein. So wird dies hoffentlich einen zusätzlichen Hemmungseffekt bei tatgeneigten Verletzern auslösen.
Aufgrund der Anonymität des Internets und der damit verbundenen schwierigen Beweiswürdigung ist es dem Betroffenen immer zu raten, sich bei Cybermobbing und anderen Persönlichkeitsrechtsverletzungen anwaltliche Hilfe zu holen, da ein erheblicher Begründungsaufwand für die Geltendmachung der vorgenannten Ansprüche erforderlich ist.
Ihre Fachanwälte für Medienrecht aus Berlin
Als Rechtsanwälte für Medienrecht in Berlin unter der Leitung von Rechtsanwalt David Geßner sind wir auf das Persönlichkeitsrecht spezialisiert. Sind auch Sie Opfer von Cybermobbing geworden und sehen sich in Ihren Rechten schwerwiegend verletzt? Oder wird Ihnen vorgeworfen, Persönlichkeitsrechte anderer verletzt zu haben? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Wir verfügen über umfangreiche Erfahrung im Bereich des Medienrechts und vertreten Sie bundesweit.