Die einstweilige Verfügung als Weg schneller und effektiver gerichtlicher Hilfe
Die einstweilige Verfügung ist ein effizientes Mittel, um bei besonders dringlichen Anliegen zu einem gerichtlichen Titel zu gelangen. In Deutschland zu klagen hat einen – nicht nur unter Jurist*innen – teilweisen schlechten Ruf. Grund hierfür ist die aufgrund von Überarbeitung und Personalmangel an deutschen Gerichten existierende (lange) Verfahrensdauer in Klageverfahren. Ist eine Klage eingereicht, so kann es gerne mal zwei bis drei Jahre dauern, bis über diese gerichtlich entschieden wird. Ein Weg, diese lange Verfahrensdauer zu vermeiden, ist die einstweilige Verfügung. So kann ein einstweiliges Verfügungsverfahren eingeleitet werden, wenn es schnell gehen muss. In den meisten Fällen wird die einstweilige Verfügung, wenn Dringlichkeit angenommen wird und ein Anspruch besteht, ohne mündliche Verhandlung erlassen. In der regel hat man als Antragsteller daher innerhalb von in der Regel höchstens 2 Wochen die beantragte einstweilige Verfügung.
Arten des einstweiligen Rechtsschutzes im Zivilrecht
Die deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) kennt zwei Arten des einstweiligen Rechtsschutzes, welche beide im fünften Abschnitt der ZPO geregelt sind. Zu unterscheiden ist hierbei das sogenannte Arrest-Verfahren (§§ 916 ff. ZPO) vom einstweiligen Verfügungsverfahren (§§ 935 ZPO).
Das Arrest-Verfahren findet gem. § 916 Abs. 1 ZPO zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs statt, der in eine Geldforderung übergehen kann.
Davon abzugrenzen ist das einstweilige Verfügungsverfahren gem. §§ 935, 940 ZPO. Während der Arrest nach seinem Wesenskern der Sicherung der Zwangsvollstreckung zu dienen bestimmt ist, soll hingegen durch die einstweilige Verfügung der materiell-rechtliche Anspruch selbst gesichert werden (z.B. der Anspruch auf Unterlassung einer bestimmten Handlung).
Im Folgenden soll es vor allem um die einstweilige Verfügung gehen, da diese in der Praxis deutlich häufiger vorkommen dürfte.
Einstweilige Verfügung – welche Arten gibt es?
Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens (§§ 935, 940 ZPO) ist – ähnlich wie im Verwaltungsprozessrecht –zwischen zwei Arten der einstweiligen Verfügung zu unterscheiden.
Die ZPO unterscheidet – wie auch die VwGO – zwischen der Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO) und der Regelungsverfügung (§ 940 ZPO).
Die Sicherungsverfügung nach § 935 ZPO ist statthaft, wenn in Bezug auf den Streitgegenstand zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Bsp.: A und sein Nachbar N verstehen sich nicht sonderlich gut. Der N fühlt sich von den Gartenzwergen des A so sehr gestört, dass er ihm per Mail androht, übermorgen die Gartenzwerge mit einem Hammer zu zertrümmern. Dass N nicht scherzt, dass weiß der A, denn N hat ihm schon einmal einen Gartenzwerg zertrümmert. Deshalb beantragt A - anwaltlich vertreten - noch am selben Tag vor dem zuständigen Gericht eine einstweilige Verfügung, in der es dem N gem. §§ 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 935 ZPO) untersagt wird, die Gartenzwerge des A zu zertrümmern.
Hingegen ist die Regelungsverfügung nach § 940 ZPO dann statthaft, wenn der Antragsteller eine Erweiterung seiner Rechtspositionen begehrt, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Bsp.: T ist einer Straftat verdächtigt, worüber das örtliche Tagesblatt auch ausführlich berichtet. Hierbei wird der T beim Namen genannt, wobei auch ein großes und unzensiertes Bildnis des T die Titelseite ziert. Das Tagesblatt hat sich nicht die Mühe gemacht, den T vor der Berichterstattung zu den Vorwürfen zu befragen. Besonders brisant: Das Ermittlungsverfahren gegen T wurde kurz vor der Berichterstattung sogar eingestellt. Anwaltlich vertreten lässt T das Tagesblatt erfolgslos abmahnen. Wenig später beantragt T - anwaltlich vertreten - vor dem zuständigen Gericht, es dem Tagesblatt zu verbieten, den Artikel weiter zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen bzw. machen zu lassen. Die einstweilige Verfügung wird antragsgemäß erlassen.
Als dritte Art der einstweiligen Verfügung gibt es in der Praxis die Leistungs- Befriedigungs-)verfügung, welche hauptsächlich auf Geldzahlung gerichtet ist.
Anm.: Auf eine Abgrenzung im Einzelfall oder die genaue Bezeichnung kommt es regelmäßig nicht an. So wird häufig nur ganz allgemein von „einstweilige Verfügung“ gesprochen und die §§ 935, 940 ZPO zusammen zitiert.
Die einstweilige Verfügung und ihre Vorteile
Die einstweilige Verfügung erfreut sich gerade im Presserecht, Medienrecht, Markenrecht, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht einer großen Beliebtheit. Dies nicht auch zuletzt deswegen, weil das einstweilige Verfügungsverfahren im Vergleich mit dem herkömmlichen Klageverfahren eine Vielzahl von Vorteilen hat.
Ein besonders Großer Vorteil liegt in der kurzen Verfahrensdauer. Während Entscheidungen im Klageverfahren gerne zwei bis drei Jahre auf sich warten lassen, so ist mit einer Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig innerhalb weniger Tage oder Wochen zu rechnen. Grund hierfür ist, dass die einstweilige Verfügung – egal ob Sicherungsverfügung oder Regelungsverfügung – regelmäßig wegen der Dringlichkeit ohne eine mündliche Verhandlung ergeht (vgl. § 937 Abs. 2 ZPO).
Ein weiterer Vorteil des einstweiligen Verfügungsverfahrens liegt darin, dass anders als im Klageverfahren die vorgebrachten Tatsachen im Falle des Bestreitens durch die Gegenpartei nicht von der vortragenden Partei bewiesen werden müssen.
Vielmehr hat der Antragsteller im Verfügungsverfahren den vorgetragenen Sachverhalt glaubhaft zu machen (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich insoweit um eine „Beweismaßreduzierung“ (Musielak/Voit, ZPO-Huber, § 920 Rn. 9). Glaubhaftmachung meint, dass für die erforderliche richterliche Überzeugung von einer Tatsache nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist. Wohingegen im Klageverfahren Tatsachen zu beweisen sind und der Beweis regelmäßig nur dann gelingt, wenn das Gericht in einer Art und Weise überzeugt ist, die den Zweifel Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.
Schließlich hat das Verfügungsverfahren auch den Vorteil, dass die Entscheidung (häufig ein Beschluss) ohne besonderen Ausspruch und ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem Wesen des einstweiligen Rechtsschutzes, als auch aus §§ 936, 929 ZPO.
Wieso geht’s schneller?
Wieso beim einstweiligen Rechtsschutz bzw. dem einstweiligen Verfügungsverfahren schneller mit einer Entscheidung zu rechnen ist, als beim „klassischen“ Klageverfahren, wurde im Wesentlichen bereits oben dargelegt. Grund hierfür ist, dass die einstweilige Verfügung regelmäßig ohne mündliche Verhandlung ergehen kann.
Welche Voraussetzungen hat die einstweilige Verfügung?
Neben den gängigen Zulässigkeitsvoraussetzungen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, zuständiges Gericht usw.) hat die einstweilige Verfügung im Rahmen ihrer Begründetheit vor allem zwei Voraussetzungen.
Zum einen den Verfügungsanspruch und zum anderen den Verfügungsgrund.
Im Rahmen des Verfügungsanspruchs prüft das zuständige Gericht, ob der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen gegen den Antragsgegner besteht.
Hierbei kommen grundsätzlich alle zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen in Betracht.
Die zweite Voraussetzung ist der Verfügungsgrund. Ein solcher liegt dann vor, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des status quo die Verwirklichung des Rechts wesentlich erschwert oder vereitelt werden könnte.
Welches Gericht ist zuständig?
Zuständig für die einstweilige Verfügung ist gem. §§ 936, 919 ZPO das Gericht der Hauptsache. Zu prüfen ist also, welches Gericht zuständig wäre, wenn statt eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine Klage zu erheben wäre. Hierbei ist neben der örtlichen Zuständigkeit insbesondere auch die sachliche Zuständigkeit zu ermitteln. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich (mit Ausnahme vom Wohnungsmietrecht) vor allem nach dem Streitwert. Liegt der Streitwert unter 5.000 EUR, so ist das Amtsgericht zuständig. Liegt der Streitwert hingegen bei 5.001 EUR oder mehr, so ist das Landgericht zuständig. Anders verhält es sich im Markenrecht und Wettbewerbsrecht. Hier ist unabhängig vom Gegenstandswert immer das Landgericht zuständig im Rahmen der ersten Instanz.
Was kann ich gegen eine einstweilige Verfügung unternehmen?
Häufig stellt sich in der anwaltlichen Praxis die Frage, was Mandanten gegen eine einstweilige Verfügung unternehmen können. Hierbei sind unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden.
Die Schutzschrift
Sofern zwar noch keine einstweilige Verfügung beantragt oder gar erlassen wurde, aufgrund einer vorangegangenen Abmahnung jedoch ein solcher Antrag der Gegenseite zu besorgen ist, kann es sich unter Umständen anbieten, bereits präventiv tätig zu werden und eine Schutzschrift einzureichen.
Die Schutzschrift stellt einen vorbeugenden Verteidigungsschriftsatz dar und wird im Schutzschriftenregister hinterlegt (§ 945a Abs. 1 S. 2 ZPO). Das Schutzschriftenregister wird länderübergreifend und zentral vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main geführt. Nach sechs Monaten wird die Schutzschrift wieder aus dem Register von Amts wegen gelöscht (§ 945a Abs. 2 S. 2 ZPO).
Eine Schutzschrift kann entweder auf dem entsprechenden Online-Portal oder durch den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin mittels besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) versendet werden. Nicht notwendig, aber dennoch sachdienlich kann es sein, dem zuständigen Gericht zusätzlich direkt per Telefax die ans Schutzschriftenregister gesendete Schutzschrift zu schicken. In der Schutzschrift können insbesondere solche Punkte aufgegriffen werden, die weniger die rechtliche Argumentation, dafür aber die tatsächlichen (ggf. vorprozessualen) Verhaltensweisen der Parteien betreffen.
Widerspruch
Gegen den Beschluss, durch den die einstweilige Verfügung erlassen wird, kann der Antragsgegner Widerspruch (§§ 936, 924 ZPO) eingelegen. Hierbei überprüft dasjenige Gericht, das die einstweilige Verfügung erlassen hat, seine Entscheidung nochmals. Dies geschieht diesmal jedoch erst nach dem eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Die Entscheidung über den Widerspruch ergeht dann durch Endurteil (§§ 936, 925 Abs. 1 ZPO).
Der Widerspruch gegen eine erlassene einstweilige Verfügung ist zwar nicht fristgebunden. Bei einem zu langen Zuwarten des Antragsgegners kann jedoch das Gericht den Widerspruch wegen Verwirkung bzw. fehlendem Rechtsschutzinteresse zurückweisen.
Antrag auf Anordnung der Klageerhebung
Wenn eine einstweilige Verfügung erlassen wurde, kann der Antragsgegner beantragen, dass das Gericht gem. §§ 936, 926 ZPO durch Beschluss anordnet, dass binnen einer bestimmten Frist Klage einzureichen ist. Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach, wird die nur vorläufige einstweilige Verfügung aufgehoben. Mitunter machen Antragsgegner (z.B. Zeitungsverlage) das, wenn sie glauben, das im Klageverfahren, etwa durch Zeugen, verbreitete Tatsachenbehauptungen bewiesen werden können und das Verfahren durch die Möglichkeiten der Beweisführung einen anderen Verlauf nehmen als im einstweiligen Verfügungsverfahren.
Sofortige Beschwerde
Gegen den Beschuss, durch den die einstweilige Verfügung versagt bzw. zurückgewiesen wird, kann die sofortige Beschwerde (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) erhoben werden. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Hilft das Gericht der Beschwerde nicht ab, so hat es die Sache dem Beschwerdegericht vorzulegen.
Sollte das Beschwerdegericht die einstweilige Verfügung nunmehr durch Beschluss erlassen, so kann der Antragsgegner gegen diesen Beschluss einen Widerspruch einlegen. Über diesen hat dann das erstinstanzliche Gericht zu entscheiden.
Anm.: Eine Notfrist ist eine Frist, die nicht durch Parteivereinbarung (vgl. § 224 Abs. 1 S. 1 ZPO) oder auf Antrag vom Richter verlängert werden kann. Wird eine Notfrist versäumt, so hilft häufig nur noch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, §§ 223 ff. ZPO)
Ist die sofortige Beschwerde bei einem Landgericht einzulegen, so ist zu beachten, dass insoweit gem. § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO Anwaltszwang herrscht. Die sofortige Beschwerde muss in diesen Fällen durch eine*n zugelassene*n Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin eingelegt werden.
Das Abschlussschreiben und seine Bedeutung
Im einstweiligen Verfügungsverfahren auch häufig von Bedeutung ist das sogenannte Abschlussschreiben. Denn wie eben dargelegt, kann der Antragsgegner gegen die erlassene einstweilige Verfügung mit einem Widerspruch vorgehen bzw. der Antragsteller wegen der bloß vorläufigen Regelungswirkung der einstweiligen Verfügung die Hauptsacheklage erheben.
Gerade in Fällen, in denen der Antragsteller im Recht ist, bietet sich daher eine Abschlusserklärung an. Hierbei handelt es sich um die Erklärung des Antragsgegners, die einstweilige Verfügung endgültig anzuerkennen und auf seine Rechte (z.B. Widerspruch) oder die Einrede der Verjährung zu verzichten.
Hauptanwendungsfall des Abschlussschreibens ist das Lauterkeits- und Wettbewerbsrecht.
Form und Inhalt einer Abschlusserklärung schreibt das Gesetz nicht vor. In dem Abschlussschreiben ist der Antragsgegner dazu aufzufordern, vor allem auf seine Rechte gem. §§ 924, 926, 927 ZPO zu verzichten, damit der Antragsteller nicht die Klage in der Hauptsache erhebt. Auch eine Frist für die Abgabe des Abschlussschreibens ist nicht gesetzlich bestimmt. Diese sollte jedoch mindestens zwei Wochen betragen. Wird eine zu kurze Frist bestimmt, so ist die Aufforderung jedoch nicht unwirksam, sondern es wird lediglich eine angemessene Frist in Gang gesetzt.
Auf Passivseite sollte man es vermeiden, dass der Antragsteller ein Abschlussschreiben versendet. Denn ein solches löst Gebühren aus, die der Antragsgegner zu erstatten hat. Daher sollte man die Abschlussserklärung, wenn man sie denn abgeben möchte, um ein Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) zu verhindern, zeitnah nach Zustellung der einstweiligen Verfügung abgeben oder dem Antragsteller z.B. signalisieren, dass man die einstweilige Verfügung prüfen und sich innerhalb einer bestimmten Frist melden und mitteilen wird, ob Widerspruch eingelegt werden soll. Dann ist das Abschlussschreiben nicht mehr im Sinne des Antragsgegners und darf nicht kostenpflichtig versendet werden.
In welchen Rechtsgebieten spielt die einstweilige Verfügung eine wichtige Rolle?
Es gibt Rechtsgebiete, in denen es deutlich häufiger zu einstweiligen Verfügungen kommt, als in anderen. Dies betrifft insbesondere solche Rechtsgebiete, in denen das lange Zuwarten auf eine Entscheidung im Klageverfahren wegen des erheblichen Gefahrenpotentials nicht zumutbar ist und erhebliche Schäden verursachen könnte. Besonders häufig kommt die einstweilige Verfügung im Wettbewerbs-, Äußerungs- bzw. Medien- und Presserecht und im Markenrecht vor. Welche Besonderheiten es bei der einstweiligen Verfügung in den verschiedenen Rechtsgebieten gibt, soll nachfolgend kurz dargestellt werden.
Einstweilige Verfügung im Medienrecht und Presserecht
Gerade im Presserecht muss es häufig schnell gehen. Insbesondere bei Presseberichten bekannter und überregionaler Zeitschriften (auch online) kann die Rechtsverletzung mit jedem weiteren Tag der Publikation und öffentlichen Zugänglichmachung schwerwiegender werden. Die Dringlichkeit ist damit grundsätzlich gegeben und muss in vielen Fällen nicht besonders ausführlich begründet werden.
Hinsichtlich der Dringlichkeitsfrist ist jedoch zu beachten, dass diese von den Pressekammern der zuständigen Landgerichte nicht einheitlich bemessen wird. Während das Landgericht Berlin für die einstweilige Verfügung dem Antragsteller lediglich eine Frist von einem Monat ab Kenntnis von der Rechtsverletzung einräumt, gewährt das Landgericht Hamburg eine Frist von fünf und das Landgericht Frankfurt am Main regelmäßig eine Frist von sechs Wochen. Insofern ist es eine prozesstaktische Überlegung, bei welchem Gericht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wird.
Gerade bei bundesweit bekannten Prominenten, einem bundesweit bekannten Pressemedium oder einer Rechtsverletzung im Internet kann häufig bei jedem Landgericht in der Bundesrepublik Deutschland der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt werden (sog. fliegender Gerichtsstand). Denn die Persönlichkeitsrechtsverletzung tritt insoweit überall in der Bundesrepublik ein. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Man sollte eine auf das Medienrecht spezialisierte Kanzlei prüfen lassen, welches Gericht im Einzelfall zuständig ist, um Dringlichkeitsfristen nicht zu versäumen.
Markenrecht
Unter den oben dargestellten Voraussetzungen kommt grundsätzlich auch eine einstweilige Verfügung im Markenrecht in Betracht. Es ist jedoch zu beachten, dass einige Gerichte in Markenrechtsstreitigkeiten keine Dringlichkeit sehen und ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung damit wegen fehlenden Verfügungsgrundes zurückgewiesen werde würde.
Sofern eine einstweilige Verfügung in Markensachen angestrebt wird, sollte daher ganz genau recherchiert werden, welches Gericht hierzu welche Auffassung vertritt und wo die einstweilige Verfügung beantragt werden soll. Voraussetzung ist natürlich, dass das gewählte Gericht auch nach den gesetzlichen Vorschriften örtlich und sachlich zuständig ist.
Daher ist in Markenverfahren der Verfügungsgrund (also die „Dringlichkeit“) ausführlicher darzulegen und zu begründen als im Äußerungs- und Presserecht. Insbesondere besteht regelmäßig keine Eilbedürftigkeit hinsichtlich Schadensersatzansprüchen. Im Rahmen der einstweiligen Verfügung wird daher in der Regel nur der Unterlassungsanspruch oder ausnahmsweise auch mal ein Auskunftsanspruch vorläufig geltend gemacht.
Auch im Markenrecht gelten von der Rechtsprechung angenommene unterschiedliche Dringlichkeitsfristen zwischen 4 Wochen und 2 Monaten ab Kenntnisnahme der Rechtsverletzung, je nachdem, in welchem Bundesland und bei welchem Landgericht man sich befindet.
Wettbewerbsrecht
Ähnlich wie im Äußerungs- bzw. Presserecht besteht im Wettbewerbsrecht eine (widerlegliche) Vermutung für die Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit und damit für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes. Dem Grunde nach muss die Dringlichkeit im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht ausführlich dargelegt und begründet werden. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Vermutung nicht auch widerlegt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Antragsteller sich mit seinem Antrag zu viel Zeit lässt.
Regelmäßig kann im Wettbewerbsrecht jedoch nur der Unterlassungsanspruch im Rahmen des Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden, da nur bezüglich dieses Anspruchs die Eilbedürftigkeit besteht. Für einen Schadensersatzanspruch besteht kein Verfügungsgrund. Damit müssen andere Ansprüche als der Unterlassungsanspruch im Klageverfahren geltend gemacht werden.
Ordnungsgeld bei Verstoß gegen einstweilige Verfügung
Häufig kommt es vor, dass das zuständige Gericht zwar eine einstweilige Verfügung erlässt, der Antragsgegner sich jedoch nicht an die Entscheidung hält und die Rechtsverletzung nicht beseitigt. Um dem Antragsgegner in solchen Fällen ein Druckmittel an die Hand zu geben, sieht § 890 Abs. 1 ZPO bei Unterlassungsansprüchen die Möglichkeit des Gerichts vor, auf Antrag auszusprechen, dass der Antragsgegner im Fall der Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € zu zahlen oder ersatzweise Ordnungshaft zu verbüßen hat.
- 890 Abs. 1 ZPO sollte daher stets mit in den Unterlassungsantrag der einstweiligen Verfügung aufgenommen werden.
Wird nun festgestellt, dass der Antragsgegner sich nicht an die einstweilige Verfügung hält, so kann beim Gericht des ersten Rechtszugs der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder Ordnungshaft gestellt werden.
Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für identische, sondern auch für kerngleiche Verstöße gegen die einstweilige Verfügung. Von einem kerngleichen Verstoß spricht die Rechtsprechung immer dann, wenn von einer Unterlassungserklärung oder einem Unterlassungstitel nicht nur die konkrete Handlung, sondern auch nur leicht abgewandelte oder gleichartige Handlungen erfasst werden.
Bsp.: Die Zeitung Z berichtet über Herrn Mustermann wie folgt: „Herr Mustermann hat am 10.10.2020 eine Bank ausgeraubt“. Dabei hat Herr Mustermann gar keine Bank ausgeraubt. Deshalb wird der Z es gerichtlich durch einstweilige Verfügung „untersagt, wörtlich oder sinngemäß die Äußerung ‚Herr Mustermann hat am 10.10.2020 eine Bank ausgeraubt‘ zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen“. Nunmehr ändert die Z den Bericht ab und schreibt „Eine Bank ausgeraubt, das hat Herr Mustermann“. Herr Mustermann beantragt wegen kerngleichen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung die Verhängung eines Ordnungsgeldes.
Was ist bei der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung zu beachten?
Zur Vollziehung einer einstweiligen Verfügung ist es zunächst erforderlich, dass die einstweilige Verfügung dem Antragsgegner im Rahmen des Parteibetriebs zugestellt wird. Dies sollte durch die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers geschehen.
Für die Vollziehung des Beschlusses hat der Antragsteller gem. §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO lediglich einen Monat Zeit. Sie beginnt mit der Zustellung des Beschlusses beim Antragsteller. Im Übrigen gelten hinsichtlich der Fristberechnung die §§ 186 ff. BGB.
Wird die einstweilige Verfügung nicht innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen, so ist die Vollziehung unstatthaft.
Zugestellt werden sollte dem Antragsgegner nicht eine bloße Kopie, sondern im besten Fall eine „Ausfertigung“. Insoweit sollte bereits mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung das Gericht um die Übersendung einer Ausfertigung zum Zwecke der Zustellung beim Antragsgegner gebeten werden.
Die ordnungsgemäße Zustellung sowie die Einhaltung der Vollziehungsfrist sollten streng kontrolliert und eingehalt werden. Kommt es insoweit zu formellen Fehlern, kann dies zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führen. Bei der Ausfertigung der beglaubigten Abschriften der einstweiligen Verfügung zum Zwecke der Vollziehung an den Antragsgegner müssen zwingend alle Seiten genau auf Lesbarkeit und Vollständigkeit geprüft werden. Fehler führen dazu, dass die einstweilige Verfügung nicht wirksam vollzogen wurde. Der Antragsgegner kann nach Fristablauf dann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung beantragen und der eigentliche „Sieger“ des Verfahrens trägt die Kosten des Verfahrens.
Werden mit einer einstweiligen Verfügung Auskunftsansprüche geltend gemacht und erteilt der Antragsgegner die Auskünfte entgegen der einstweiligen Verfügung nicht, so muss zur Wahrung der Vollziehungsfrist des § 929 S. 2 ZPO vor Fristablauf ein Zwangsmittel (z.B. nach § 888 ZPO) beantragt werden.
Wann steht mir bei einer rechtswidrigen Verfügung ein Schadensersatzanspruch zu?
Sollte dem Antragsgegner aufgrund der Vollziehung der einstweiligen Verfügung ein Schaden entstehen und sich die einstweilige Verfügung später als von Anfang an rechtswidrig erweisen, so steht dem Antragsgegner gem. § 945 ZPO ein Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens zu. Daher sollte man im Vorfeld immer abwägen, ob die einstweilige Verfügung, die man beantragt, auch halten wird oder ob z.B. neuer Vortrag der Gegenseite die einstweilige Verfügung zu Fall bringen könnte.
Anm.: Die ZPO kennt im Gegensatz zum BGB nur wenige Schadensersatzansprüche. § 945 ZPO ist ein solcher.
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Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung mit einstweiligen Verfügungen in den oben genannten Rechtsgebieten kennen wir die Fallstricke genau und helfen Ihnen gerne dabei, eine einstweilige Verfügung zu erwirken oder abzuwehren. Profitieren Sie von unserer umfangreichen Prozesserfahrung.
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