Einstweilige Verfügung gegen Spiegel TV vor dem Kammergericht Berlin erwirkt
Unser Medienrechtsteam hat eine einstweilige Verfügung gegen Spiegel TV vor dem Berliner Kammergericht erwirkt. Wir sind von den Boulevardmedien ja bereits einiges gewohnt. Egal ob Spiegel, BILD- Zeitung, BZ, Berliner, Zeitung, Focus oder Morgenpost. Allen ist leider eines gemein, sie halten immer wieder die journalistischen Sorgfaltspflichten nicht ein und verstoßen durch schlecht recherchierte und/oder vorverurteilende, rufschädigende Berichterstattung gegen das Persönlichkeitsrecht unserer Mandanten. Zu diesen gehören vor allem Unternehmen, Verbände, Politiker, Sportler, Personen des öffentlichen Lebens oder auch ganz normale Privatpersonen, welche durch eine dann nicht selten bundesweite Hetzkampagne der Medien an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt und massiv in ihrem Ruf beschädigt werden.
Was war in diesem Fall passiert?
Die Spiegel TV GmbH hat in der Sendung „Spiegel TV“ auf RTL einen Medienbericht über ein Strafverfahren ausgestrahlt, in das unser Mandant verwickelt gewesen sein soll. Gegen ihn und weitere Personen wurde vor den Strafgerichten wegen der vorgeworfenen Taten ein Strafverfahren eingeleitet. Der Spiegel TV- Bericht stieß auf großes öffentliches Interesse und war entsprechend - auch in den sozialen Netzwerken - reichweitenstark. Im Rahmen des von Spiegel TV ausgestrahlten Beitrags wurde auch eine Tonspur veröffentlicht, die ein angeblich aufgezeichnetes Gespräch zwischen unserem Mandanten und einem Mitangeklagten zum Gegenstand hatte. Teile dieser Tonspur wurden bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Strafverfahren abgespielt. Bereits die Echtheit der Tonbandaufnahmen wurde bestritten. Nunmehr beantragte der betroffene Mandant vor dem Landgericht Berlin – seinerzeit noch vertreten durch eine andere Kanzlei – den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Unterlassung der Veröffentlichung der Tonbandaufnahmen. Die beantragte Verfügung richtete sich hingegen nicht gegen die identifizierende Berichterstattung durch „Spiegel TV“ als solche.
Pressekammer des LG Berlin wies Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück
Erstinstanzlich bekam Spiegel TV noch Recht. Unser Mandant wurde zu diesem Zeitpunkt noch von einer anderen Kanzlei vertreten. Das Landgericht Berlin war der Auffassung, dass Unterlassungsansprüche gegen Spiegel TV nicht bestehen (LG Berlin, Beschl. v. 16.12.2021 – 27 O 481/21). Das Landgericht Berlin wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Eilverfahren daher ab. Es stützte sich insoweit darauf, dass weder ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 201 StGB noch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG besteht.
Keine Strafbarkeit wegen Verletzung der Vertraulichkeit Wortes
Das Landgericht Berlin lehnte zunächst einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 201 StGB ab. Hiernach hätte der Antragsteller einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der Tonspur, wenn dies eine Strafbarkeit nach § 201 StGB darstellt. § 201 StGB bestraft die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und ist damit einfachgesetzliche strafrechtliche Normierung des verfassungsrechtlich gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG).
In § 201 Abs. 1 StGB heißt es:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht“.
LG Berlin: Gespräch war nicht „nichtöffentlich“
Das LG lehnt eine Strafbarkeit nach § 201 StGB und damit den Unterlassungsanspruch nach §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 201 StGB mit der Begründung ab, dass das auf der Tonspur befindliche angebliche Gespräch zwischen dem Antragsteller und einem Mitangeklagten nicht „nichtöffentlich“ iSv § 201 StGB war. Dies sei deshalb nicht der Fall, weil das Gespräch relativ laut in einem Restaurant geführt worden sein soll, wo ohnehin jeder Dritte Kenntnis vom Gespräch und dessen Inhalt erlangt haben könne. (LG Berlin, Beschl. v. 16.12.2021 – 27 O 481/21, S. 3).
Zudem „dürfe der Tatbestand des § 201 StGB auch schon deshalb ausscheiden, weil das, was in einer kraft Gesetzes öffentlichen (Gerichts-)Verhandlung gesagt – oder vorgespielt – wird, stets ein § 201 StGB ausschließendes öffentlich gesprochenes Wort ist“ (LG Berlin, Beschl. v. 16.12.2021 – 27 O 481/21, S. 3). Die Tonbandaufnahme wurde nämlich in der mündlichen Verhandlung des Strafverfahrens vorgespielt.
Zudem führt das LG Berlin aus:
„Eine Strafbarkeit scheidet indes auch dann aus, wenn man zugunsten des Antragstellers von einem „nicht öffentlich gesprochenen Wort“ [iSd § 201 StGB] ausgeht, denn die Veröffentlichung der Tonspur war vorliegend durch die Pressefreiheit der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und daher nicht rechtswidrig“ (LG Berlin, Beschl. v. 16.12.2021 – 27 O 481/21, S. 3).
Güterabwägung zugunsten der Pressefreiheit von Spiegel TV
Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 25.01.1984 – 1 BvR 272/81 = NJW 1984, 1741) nimmt das LG Berlin eine Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers und der Pressefreiheit vor, die im Ergebnis zugunsten der Pressefreiheit ausfällt.
Zwar erkennt das LG Berlin die Bedeutung der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK), nimmt jedoch auch hier ein Überwiegen eines öffentlichen Informationsinteresses an einer identifizierenden Berichterstattung und den der Tonspur zu entnehmenden Informationen an.
LG Berlin hält die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung nicht für rechtswidrig
Auch einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog iVm Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lehnte das LG in Ermangelung einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ab.
Auch hier gibt das LG Berlin der Pressefreiheit den Vorzug und führt hierzu aus:
Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen kann (vgl. BGH, Urteil v. 16.02.2016, VI ZR 367/15, NJW-RR 2017, 31, juris Rn. 24; Urteil v. 07.06.2011, VI ZR 108/10, NJW2011, 3153, juris Rn. 19; BVerfG, Beschluss v. 25.01.2012, 1 BvR 2499/09 u.a., NJW2012, 1500, juris Rn. 39; EGMR, Urteil v. 07.02.2012, 29954/08, NJW 2012, 294, juris Rn. 96; jeweils m.w.N). Danach überwiegt wie bereits ausgeführt die Pressefreiheit die schutzwürdigen Interessen des Antragstellers, dem eine herausragende Straftat unter Verwendung gefälschter Dokumente vorgeworfen wird. Die seinem Vortrag nach verkürzte Veröffentlichung der Tonspur hat auf seinen Achtungsanspruch keine Auswirkungen.“ (LG Berlin, Beschl. v. 16.12.2021 – 27 O 481/21, S. 5).“
Kammergericht Berlin erlässt einstweilige Verfügung gegen Spiegel TV
Wir haben nach dieser unverständlichen Entscheidung des LG Berlin für unseren Mandanten sofortige Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegt. Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg. Der 10. Zivilsenat des KG Berlin hat mit Beschluss vom 02.02.2022 (Az. 10 W 12/22) den erstinstanzlichen Beschluss des LG Berlin dahingehend abgeändert, dass dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattgeben wird und eine Veröffentlichung der Tonbandaufnahmen durch Spiegel TV unterlassen werden muss.
Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Kürzungen der Tonbandaufnahmen
Zwar bestätigte das Kammergericht Berlin die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass eine Strafbarkeit nach § 201 StGB nicht bestehe und damit auch ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB iVm 201 StGB nicht gegeben sein könne.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts Berlin bestätigt das Kammergericht jedoch unsere Rechtsauffassung, nach der das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers durch die Veröffentlichung in rechtswidriger Weise deshalb verletzt ist, weil durch Kürzungen der Tonbandaufnahmen, die im Strafverfahren vorgespielt wurden, ein rechtsverletzender, falscher Eindruck von unserem Mandanten erzeugt wurde. (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 02.02.2022 – Az. 10 W 12/22, S. 3).
Zur Begründung führt das Kammergericht aus:
Fazit: Massive journalistische Pflichtverstöße wurden zu Recht geahndet und verboten
Der Fall zeigt, wie schnell man durch vorsätzlich falsche Berichterstattung und die technischen Möglichkeiten in der heutigen Zeit in ein falsches Licht gerückt werden kann. Leider wird für eine reißerische Medienberichterstattung auch vor solchen, höchst fragwürdigen und verwerflichen Methoden nicht halt gemacht. Äußerungen bewusst aus dem Zusammenhang zu reißen, um ein negatives Bild von einem Menschen zu zeichnen, hat mit der Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten nicht ansatzweise etwas zu tun. Die einstweilige Verfügung gegen Spiegel TV ist daher zu Recht ergangen.
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