Erfolg im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen Axel Springer SE (BILD-Zeitung)
Unser Medienrechtsteam konnte vor dem Kammergericht (Beschl. V. 27.10.2021, AZ- 10 W 87/21) im sofortigen Beschwerdeverfahren eine einstweilige Verfügung gegen Axel Springer und die BILD- Zeitung wegen einer rechtswidrigen und persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung erwirken.
Mit Beschluss vom 27.10.2021 hat das Kammergericht Berlin auf die sofortige Beschwerde unserer Mandantschaft gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor der Pressekammer des Landgerichts Berlin nunmehr eine einstweilige Verfügung zugunsten unseres Mandanten ohne mündliche Verhandlung wegen besonderer Dringlichkeit erlassen und den Beschluss des Landgerichts Berlins vom 14.06.2021 (27 O 222/21) teilweise abgeändert.
Zum Sachverhalt:
Unser Mandant wurde vor einigen Monaten öffentlich im Internet an den Pranger gestellt. Er wurde im Supermarkt von einem Kunden im Rahmen eines Disputs, den unser Mandant eigentlich schlichten wollte, gefilmt. Der Kunde stellte das Video, welches unseren Mandanten in ein völlig verzerrtes Licht stellt, bei Instagram ein. Das Video ging sehr schnell viral, sodass es millionenfach geklickt wurde. Die Medien griffen den Sachverhalt auf und verbreiteten dieses Video, in welchem unser Mandant eindeutig identifizierbar war, auf, und machten es zum Gegenstand einer bundesweiten Medienberichterstattung. Auch Axel Springer (Bild, Welt, B.Z.) berichtete darüber und verbreiteten das Video unserer Mandantschaft.
Wir mahnten die Axel Springer SE daraufhin ab und forderten die Löschung des Videos sowie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wegen erfolgter Persönlichkeitsrechtsverletzungen, insbesondere der Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Axel Springer weigerte sich jedoch und gab auch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Daraufhin beantragten wir für unseren Mandanten den Erlass einer einstweiligen Verfügung vor der Pressekammer des Landgerichts Berlin.
Landgericht Berlin wies Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück
Die Pressekammer des Landgerichts war der Auffassung, dass die Berichterstattung lediglich die Sozialsphäre unseres Mandanten betrifft.
„Soweit teilweise vertreten wird, dass allein die Identifizierung Betroffener in einer Presseberichterstattung per se einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit besonderen Rechtfertigungsanforderungen in der Gesamtabwägung darstellen soll (vgl. zum Thema Soehring, in: Soehring/Hoene, PresseR, 6. Aufl. 2018, § 17 Rn. 1 ff. m.w.N.), gelten dennoch nicht die strengeren Regel-Ausnahmevorgaben der „“ 22, 23 KUG, sondern bei der Abwägung muss eine Identifizierung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre regelmäßig hingenommen werden (so wohl auch Soehring, a.a.O., § 17 Rn. 8; OLG Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – 15 W 52/20 –, Rn. 11, juris). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Berichterstattung einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten oder eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (BGH, 17. Dezember 2019, VI ZR 249/18; OLG Köln, Beschluss vom 15. Oktober 2020 –15 W 52/20 –, juris). Die angegriffenen Äußerungen sind, unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin sie sich teilweise noch nicht einmal zu eigen gemacht hat, sämtlich wahr bzw. stellen zulässige Meinungsäußerungen dar.“
Das Landgericht hielt die Veröffentlichung des Videos für zulässig. Dabei stellte das Gericht maßgeblich darauf ab, dass es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handle. Daher käme es auch nicht darauf an, dass unser Mandant in die Veröffentlichung des Videos nicht eingewilligt hat. Zwar wurde unser Mandant im Video verpixelt, dies jedoch nicht durchgängig. Das Landgericht Berlin war in diesem Kontext der Auffassung, dass es bei einer normalen Betrachtung nicht auffallen würde, dass eine durchgehende Verpixelung nicht gegeben sei.
Hat man das Video angehalten, konnte man das Gesicht unseres Mandanten kurzzeitig in Gänze sehen. Das hat das Landgericht jedoch nicht ausreichen lassen, auch wenn das Landgericht ausgeführt hat, dass unser Mandant anhand seiner Statur, der Nennung seiner Funktion als Mitarbeiter der Filiale für einen mehr oder minder großen Kreis erkennbar war. Nach Auffassung des Gerichts überwog hier jedoch das öffentliche Informationsinteresse an der Verbreitung des Bildnisses unseres Mandanten.
Kammergericht verbot das Video in der zweiten Instanz
Daraufhin reichten wir sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts für unseren Mandanten ein. Mit Beschluss vom 27.10.2021 entschied nunmehr das Kammergericht (Beschl. V. 27.10.2021, AZ- 10 W 87/21), dass das viral gegangene Video unserer Mandantschaft nicht zum Gegenstand einer Medienberichterstattung gemacht werden durfte. Anders als das Landgericht war das Kammergericht der Auffassung, dass ein berechtigtes Interesse unserer Mandantschaft gemäß § 23 Abs. 2 KUG tangiert sei. Es könne daher dahinstehen, ob aufgrund der mittels des Videos öffentlich geübten Kritik am Verhalten unseres Mandanten als leitender Angestellter von einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte auszugehen ist. Denn auch solche Bildnisse dürfen nach der Rechtsprechung nicht ohne Schranken verbreitet werden. Das Kunsturhebergesetz sieht in seiner Vorschrift des § 23 Abs. 2 KUG vor, dass eine Verbreitung oder Zurschaustellung eines Bildnisses dann nicht erfolgen darf, wenn ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Person verletzt wird.
Kammergericht sieht in Bildveröffentlichung Verletzung der Wahrheitspflicht
So führt das Kammergericht in seinem Beschluss wörtlich wie folgt aus:
“Jedenfalls greift § 23 Abs. 2 anerkanntermaßen auch ein, wenn mit einer Bildveröffentlichung eine Verletzung der Wahrheitspflicht einhergeht, etwa weil schon die unmittelbare Bildaussage falsch ist und/oder mittelbar – ggfs. auch im Zusammenhang mit der begleitenden Wortberichterstattung – der (unabweisliche) Eindruck einer falschen Tatsache entsteht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.04.2018 – 15 U 112/17, GRUR – RS 2018, 8274 Rn. 28 – Ausraster am Flughafen). Gleiches gilt bei einer insgesamt unvollständigen und verkürzten Darstellung eines Geschehensablaufs, die so insgesamt ein unzutreffendes Bild von den Geschehnissen zeichnet und den Betroffenen dadurch in der öffentlichen Wahrnehmung in erheblichem Maße herabwürdigt. Im Kern geht es auch insofern letztlich um die Rechtsfigur der bewussten Unvollständigkeit, die von der Wort- auf die Bildberichterstattung zu übertragen ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.04.2018 – 15 U 112/17, GRUR-RS 2018, 8274 Rn. 30, 33 – Ausraster am Flughafen).
Diese Argumentation führten wir bereits in der ersten Instanz vor dem Landgericht Berlin an und fanden kein Gehör. Denn das Video zeigt lediglich einen Ausschnitt des Disputs und der Gesamtsituation. Der filmende Kunde hatte sich im Vorfeld des Videos aggressiv gegenüber Kunden und gegenüber unserem Mandanten verhalten. Dies war auf dem Video gerade nicht zu sehen. Daher zeichnete das Video ein unvollständiges und “schiefes” Bild von der Situation und unserem Mandanten und rückte unseren Mandanten in ein besonders schlechtes Licht. Das Kammergericht ist unserer Argumentation daher insoweit gefolgt.
Axel Springer (BILD) kann sich nicht auf Agenturprivileg berufen
Soweit sich Axel Springer auf das sogenannte Agenturprivileg berufen hat und der Meinung war, man hätte das Video bereits deshalb im Rahmen der Berichterstattung verwenden dürfen, weil dem eine Agenturmeldung vorausging, so ist das Kammergericht auch dieser Argumentation der Gegenseite nicht gefolgt. Wörtlich führte das Kammergericht wie folgt aus:
“Auf das sogenannte Agenturprivileg kann sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht berufen, weil hinsichtlich des erst in einer bereits laufenden Auseinandersetzung beginnenden Videos offensichtlich war und ist, dass der Verlauf hier komplett ausgeblendet und das Geschehen aus seinem Kontext gerissen wurde. Insofern spielt das vom Antragsteller im wesentlichen Kern glaubhaft gemachte (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO) Vorgeschehen aber eine entscheidende Rolle: zwar trägt das aus dem Video ersichtliche Verhalten des Antragstellers die Bezeichnung als „rassistisch“, dasselbe gilt für die Wortberichterstattung über das „Rausschmeißen“ und die Kündigung des Antragstellers. Bei der Beurteilung der 03:27 Minuten langen Bildnisveröffentlichung in Film (in Ton) in ihrem Zusammenhang kann aber das Vorgeschehen nicht außer Betracht gelassen werden. Wenn denn die Veröffentlichung der Filmsequenz ihre ganz eigene Eingriffsintensität und –stärke hier daraus zieht, dass das ersichtlich erregte Verhalten des Antragstellers dem Betrachter besonders „plastisch“ gemacht und er so in der emotional stark angespannten, eskalierten Situation der Öffentlichkeit in der Form der dauerhaft fixierten Filmaufnahme förmlich vorgeführt wird, so ist auf der anderen Seite die darin liegende erhebliche Beeinträchtigung in der Abwägung auch nur dann hinzunehmen, wenn – anders als hier – wesentliche Teile der Vorgeschichte zutreffend dargestellt oder ggfs. zumindest wahrheitsgemäß als streitig erläutert würden, was wiederum auch mit einer entsprechend kritischen Würdigung einher gehen könnte (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12.04.2018 – 15 U 112/17, GRUR-RS 2018, 8274 Rn. 28 ff. – Ausraster am Flughafen).
Darüber hinaus führte das Kammergericht zutreffend aus, dass unser Mandant allein anhand der einseitigen Darstellung des filmenden Kunden in den sozialen Medien unmittelbar in die Öffentlichkeit gezerrt wurde und auf der so geschaffenen, so gar nicht bewiesenen Tatsachengrundlage dem Hohn, dem Spott, der Missbilligung und Anfeindungen dieser breiten Öffentlichkeit ausgesetzt war. Das Kammergericht sah anders als das Landgericht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des Bildnisses unseres Mandanten.
Verbreitung des Bildnisses entfaltet massive Prangerwirkung
Ferner sah das Kammergericht richtigerweise in der Verbreitung des Bildnisses eine massive Anprangerung unseres Mandanten, welche so nicht von ihm hinzunehmen war.
Wörtlich schreibt das Kammergericht hierzu wie folgt:
„Im Übrigen ist in der Abwägung bei § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KUG generell auch zu berücksichtigen, ob die identifizierende Vorführung eines Personenbildes im Fernsehen oder im Internet unter negativer Qualifizierung eine derart starke soziale Prangerwirkung hat, dass sie schon deswegen vom Betroffenen so nicht hinzunehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1966 – VI ZR 268/64, NJW 1966, 2353). Auch bei der Berichterstattung über unstreitige wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre ist es ein Abwägungskriterium, wenn eine einzelne Person aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle exemplarisch herausgegriffen und so zum „Gesicht“ einer personalisierten und individualisierenden Anklage für ein damit verfolgtes Sachanliegen gemacht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.06.2020 – 1 BvR 1240/14 -, BeckRS 2020, 15143 Rn. 18 – Täuschungsversuch im Examen, vom 24.05.2006 – 1 BvR 1060/02 – juris Rn. 30). Zwar darf eine kritische Berichterstattung über ein fragwürdiges berufliches oder betriebliches Geschehen in der Sozialsphäre nicht unmöglich gemacht werden, doch ist der Grad der Preisgabe der Betroffenen bei der Abwägung und der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Hier ist das hinnehmbare Maß überschritten. Denn die (naturgemäß) einseitige Videoveröffentlichung in einem sog. sozialen Netzwerk stellt den Antragsteller – mag die Erkennbarkeit auch auf das Umfeld des Supermarktes und den Freundes- und Bekanntenkreis beschränkt gewesen sein – in der Öffentlichkeit an den Pranger. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die mit einer Tonwiedergabe verbundene Filmaufnahme von einer Person einen deutlich intensiveren Eindruck vermittelt als die bloße Wiedergabe eines Fotos. Mag sich der Antragsteller selbst kritikwürdig verhalten haben, rechtfertigt dies auch angesichts der fehlenden Bekanntheit des Antragstellers in der Öffentlichkeit und seiner nicht herausragenden Stellung im Wirtschaftsleben, nicht die Veröffentlichung des Videos. Dies gilt auch, weil dem Antragsteller im Wesentlichen nicht mehr vorgehalten werden kann als der Vorwurf, dass er in kritikwürdiger Weise mit der vorgefundenen emotional aufgeladenen Situation umgegangen ist.“
Fazit: Entscheidung wichtiger Erfolg für Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Die Entscheidung des Kammergerichts ist von großer Wichtigkeit für das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Personen, welche wie unser Mandant öffentlich massiv und nachhaltig an den Pranger gestellt wurden. Sollte sich Axel Springer nicht an die einstweilige Verfügung halten, so beantragen wir für unseren Mandanten die Verhängung eines empfindlichen Ordnungsgeldes.
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