Das Jugendmedienschutzrecht: Wie gut werden Kinder und Jugendliche in den (sozialen) Medien geschützt?
Jugendmedienschutzrecht: Immer mehr Kinder und Jugendliche verbringen viel Zeit im Internet und den sozialen Medien. Nach Angaben der Bundesregierung verbringen Zwölf- bis 13-Jährige ca. 2,5 Stunden und die 16- 17-Jährigen ca. 4 Stunden im Internet.
Umso wichtiger ist es, Kinder und Jugendliche adäquat bei der Nutzung digitaler Medien rechtlich zu schützen. Welche Möglichkeiten es gibt und welche Regelungskomplexe diesen Schutz gewährleisten sollen, soll im Folgenden Beitrag aufgezeigt werden.
Jugendschutz als Verfassungsgut: Schutzpflichten und Grenzen
Der Jugendschutz ist nicht bloß ein abstraktes Konstrukt des einfachen Rechts. Vielmehr ist er ein Rechtsgut mit Verfassungsrang . So wird er einerseits bereits als Schranke der Meinungsfreiheit in Art. 5 II GG genannt und andererseits vom BVerfG aus Art. 2 I, 1 I GG als Recht auf ungestörte Entwicklung der Persönlichkeit hergeleitet (BVerfG Beschl. v. 27.11.1990 – 1 BvR 402/87 = BVerfGE 83, 130, 140 = NJW 1991, 1471, 1472).
Der verfassungsrechtliche Jugendschutz ist sodann doppelter Natur. So ist der elterliche Jugendschutz (Art. 6 II GG) von dem staatlichen Jugendschutz zu unterscheiden.
Insbesondere erkennt das BVerfG einen Schutzauftrag des Staates an, Kinder und Jugendliche so zu schützen, dass sie sich zu eigenständigen und sozialverantwortlichen Persönlichkeiten entwickeln können,
Dennoch kann der Jugendschutz nicht grenzenlos sein, da er häufig mit Verfassungsrechten Dritter kollidiert. Hier sind insbesondere die Meinungsfreiheit (Art. 5 I S. 1 GG), die Pressefreiheit (Art. 5 I S. 2 GG), die Kunstfreiheit (Art. 5 III GG), das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 II GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zu nennen.
Jugendmedienschutzrecht: Gesetzliche Grundlagen
Aufgrund der mit normativen Restriktionen einhergehenden Kollision zwischen dem Jugendschutz einerseits und den kollidierenden Verfassungsgütern Dritter andererseits, ist nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage notwendig. Hierbei gibt es nicht nur „die eine“ Rechtsgrundlage zur Regelung des Jugendschutzes. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von Regelungs- und Normkomplexen.
Das Strafgesetzbuch (StGB)
Ganz grundsätzlich werden Kinder und Jugendliche bereits durch das Strafgesetzbuch (StGB) geschützt. Demnach sind insbesondere Pornografie (§§ 184- 184d StGB), Gewaltdarstellung (§ 131 StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) strafbar.
Besondere Bedeutung dürfte insoweit der strafbaren Gewaltdarstellung gem. § 131 I StGB mit Blick auf sog. „Ego-Shooter“ zukommen.
Demnach „wird bestraft, wer
- einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildert, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
- a) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht,
- b) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
- einen in Nummer 1 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen“.
Bereits das Strafgesetzbuch sieht daher – jedenfalls mittelbar – staatliche Maßnahmen zum Jugendschutz vor.
Telemediengesetz (TMG)
Das Telemediengesetz gilt grundsätzlich für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, so lange es sich bei diesen nicht um Rundfunk nach § 2 des RStV handelt.
Einen besonders ausgeprägten Regelungskomplex zum Jugendschutz sucht man im TMG jedoch vergeblich. Fündig wird man allein im § 14a TMG: Hat ein Diensteanbieter zur Wahrung des Jugendschutzes personenbezogene Daten von Minderjährigen erhoben, so darf es diese Daten nicht für kommerzielle Zwecke verarbeiten.
Medienstaatsvertrag (MStV)
Auch der MStV enthält nicht viele Vorschriften zum Jugendschutz. Alleine mit Blick auf Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele ist in § 11 Abs. 1 MstV geregelt, dass die Belange des Jugendschutzes zu wahren sind.
Das Jugendschutzgesetz (JuSchG)
Darüber hinaus gibt es noch das Jugendschutzgesetz. Dieses regelt vor allem den groben rechtlichen Rahmen mit Blick auf die Verbreitung (insbesondere den Verkauf) von Trägermedien.
Trägermedien sind gem. § 1 II S. 1 JuSchG alle „Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät gebaut sind“.
Vom Anwendungsbereich des JuSchG ausgenommen sind gem. § 1 II S. 2 JuSchG lediglich Rundfunksendungen, da diese vom spezielleren Jugendmedienschutz-Staatsvertrag erfasst werden (hierzu später).
Das JuSchG erfasst damit im Wesentlich die sog. „Offline-Medien“.
Indizierungsverfahren
In § 18 I ff. JuSchG ist das sog. Indizierungsverfahren geregelt. Demnach sollen „Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, […] von der Bundeszentrale nach Entscheidung der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien“ in eine sog. Indexliste aufgenommen werden.
Hierzu zählen nach § 18 I S. 2 JuSchG v.a. „unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien“.
Filmveranstaltungen, § 11 JuSchG
Das JuSchG regelt unter anderem die Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen bei öffentlichen Filmveranstaltungen. Gem. § 11 I S. 1 JuSchG bedarf die Anwesenheit von Jugendlichen der Gestattung durch die zuständige oberste Landesbehörde.
Unter öffentliche Filmveranstaltungen fallen (z.B.) Kinofilmvorstellungen jeglicher Art und Filmveranstaltungen in Gaststätten (vgl. Erdemir, a.O., § 23, Rn. 122).
Geht die Filmveranstaltung über eine gewisse Uhrzeit hinaus, so ist zusätzlich die Begleitung durch eine sorgeberechtigte Person erforderlich (sog. Parental-Guidance-Regelung).
Dabei gelten folgende Richtwerte des § 11 III JuschG:
- Kinder unter 6 Jahren bedürfen stets einer Begleitperson
- Kinder von 6-14 Jahren, wenn die Vorführung nach 20 Uhr beendet ist
- Jugendliche von 14-16 Jahren, wenn die Vorführung nach 22 Uhr beendet ist
- Jugendliche von 16-18 Jahren, wenn Vorführung nach 24 Uhr beendet ist
Zudem darf Werbung für alkoholische Getränke gem. § 11 V JuSchG nur nach 18 Uhr vorgeführt werden.
Wer gegen § 11 JuSchG verstößt, begeht gem. § 28 I Nr. 14, Nr. 14a JuSchG eine Ordnungswidrigkeit, welche mit einer Geldbuße bis zu 50.000€ geahndet werden kann (§ 28 V JuSchG).
Kennzeichnungspflicht, § 14 JuSchG
Zudem gilt nach §§ 12, 14 I, II JuSchG eine Kennzeichnungspflicht für Filme und Spielprogramme (CD-ROM’s). Das JuSchG unterscheidet hierbei zwischen verschiedenen Altersfreigaben, mit denen entsprechende Datenträger gekennzeichnet sein müssen:
- „Freigegeben ohne Altersbeschränkung“
- „Freigegeben ab sechs Jahren“
- „Freigegeben ab zwölf Jahren“
- „Freigegeben ab sechzehn Jahren“
- „Keine Jugendfreigabe“
Es gilt jedoch der „Grundsatz der regulierten Selbstregulierung“.
Denn die Alterskennzeichnung für Filme werden von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und die Alterskennzeichnung von Spielprogrammen von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) vorgenommen.
Die Kennzeichnung nehmen die Einrichtungen (FSK und USK) jedoch nicht von sich aus vor. Vielmehr muss der Filme- oder Softwaremacher selbst eine Alterskennzeichnung bei den genannten Einrichtungen beantragen.
Dass die jeweils kontrollierenden Stellen und Organisationen in engem Kontakt mit den betroffenen Film- und Softwareindustrieren stehen, ist häufig Gegenstand von Kritik.
Wer gegen § 14 JuSchG verstößt, macht sich nach § 27 I JuSchG strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Jugendgefährdende Medien
Bei den jugendgefährdenden Medien ist zwischen schwerer Jugendgefährdung (§ 15 II JuSchG) und schlichter Jugendgefährdung (§ 18 I JuSchG) zu unterscheiden.
Schwer jugendgefährdende Medien
In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Medien schwer jugendgefährdend sind, listet § 15 II JuSchG enumerativ auf. Trifft einer der Tatbestände zu, dann folgen hieraus – auch ohne Aufnahme in die List der jugendgefährdenden Medien – erhebliche Werbe- und Vertriebsverbote (§ 15 I JuSchG). Solche Inhalte sind mithin „automatisch“ indiziert.
Gem. § 15 II JuSchG sind schwer jugendgefährdende Trägermedien solche, die
- „einen der in § 86, § 130, § 130a, § 131, § 184, § 184a, 184b oder § 184c des Strafgesetzbuches bezeichneten Inhalte haben,
- den Krieg verherrlichen,
- Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt,
- besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen,
- Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder
- offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.“
Schlicht jugendgefährdende Medien
Schlicht jugendgefährdend sind gem. § 18 I JuSchG Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.
Allerdings sieht § 18 III JuSchG Ausnahmen vor, wann ein schlicht jugendgefährdendes Medium nicht auf die Liste der jugendgefährdenden Medien gesetzt werden muss.
Ein Medium darf danach nicht in die Liste aufgenommen werden,
- allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts,
- wenn es der Kunst oder Wissenschaft, der Forschung oder Lehre dient,
- wenn es im öffentlichen Interesse liegt, es sei denn, dass die Art der Darstellung zu beanstanden ist.
Durch diese Ausnahmetatbestände hat der Gesetzgeber insbesondere die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte aus Art. 4 GG und Art. 5 I, III GG berücksichtigt.
Eine Indizierung von schlicht jugendgefährdenden Medien erfolgt durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz gem. § 21 I JuSchG idR nur auf Antrag. Wer Antragsberechtigt ist, regelt § 21 II JuSchG.
Jugendmedienschutzrecht: Rechtsweg und Rechtsdurchsetzung
Im Rahmen des Indizierungsverfahrens
Für Klagen gegen eine Entscheidung der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien im sog. Indizierungsverfahren sind gem. § 25 I JuSchG die Verwaltungsgerichte zuständig.
Die Klage ist gem. § 25 III JuSchG gegen den Bund, vertreten durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz, zu richten.
Eines vorherigen Widerspruchs gem. §§ 68 ff. VwGO bedarf es gem. § 25 IV S. 2 JuSchG hingegen nicht.
Da die Klage gem. § 25 IV S. 1 JuSchG keine aufschiebende Wirkung hat (der Bescheid also sofort vollstreckt werden kann) sollte die Hauptsacheklage mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. §§ 80 V S. 1, II S. 1 Nr. 3 VwGO „verbunden“ werden, sofern dieser im konkreten Einzelfall erfolgsversprechend ist.
Gegenmaßnahmen der Landesmedienanstalten
Eine Handlungsfähigkeit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ist abzulehnen (vgl. Erdemir, a.O., § 23 Rn. 136). Sie handelt durch die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten. Für Berlin ist dies die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).
Maßnahmen der Landesmedienanstalten als Anstalten des öffentlichen Rechts stellen Verwaltungsakte (§ 35 VwVfG) dar. Statthaft ist daher die Anfechtungsklage (§§ 42 I, 113 I S. 1 VwGO) wobei zuvor ein Widerspruch (§§ 68 ff. VwGO) eingelegt werden muss. Antragsgegner ist die jeweilige Landesmedienanstalt.
Es gilt jedoch zu beachten, dass bei Verstößen gegen § 4 JMStV der Widerspruch und die Anfechtungsklage grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben, § 20 V S. 3 JMStV. In der Praxis sollte daher geprüft werden, inwiefern zudem ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 V S. 1, II S. 1 Nr. 3 VwGO erfolgsversprechend ist. Hierbei prüft das Gericht im sog. Eilverfahren die Erfolgsaussichten der Hauptsache nach Aktenlage und stellt eine Interessenabwägung an.
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)
Die meisten Regelungen zum Jugendschutz in den Medien dürfte wohl der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) enthalten. Selbst erklärter Zweck des Staatsvertrages ist gem. § 1 JMStV der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden.
Anwendungsbereich
Der Staatsvertrag gilt hierbei für Rundfunk und Telemedien. Wichtig ist hervorzuheben, dass der JMStV sowohl für den öffentlich-rechtlichen, als auch für den privaten Rundfunk gilt. Der MStV und das TMG bleiben jedoch unberührt.
In Abgrenzung zum JuSchG gilt der JMStV gerade für nicht Träger gebundene Medien (Kommunikationsmedien). Hierunter zählen auch soziale Netzwerke wie Twitter, Instagram, Facebook usw.
Darüber hinaus gelten die Regelungen nicht bloß für Anbieter, die ihren Sitz in Deutschland haben.
Gem. § 2 I S. 2 JMStV gilt der Staatsvertrag aber auch für (ausländische) Anbieter, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben, soweit die Angebote zur Nutzung in Deutschland bestimmt sind.
Ob dies der Fall ist, ist nach Satz 3 iRe Gesamtschau zu ermitteln. Bei dieser sind zu berücksichtigen:
- die verwendete Sprache (Wir die deutsche Sprache verwendet?)
- die angebotenen Inhalte
- die Marketingaktivität (Wird das Angebot in Deutschland beworben?)
- der Ort der Refinanzierung (Findet diese nicht unwesentlich in Deutschland statt?)
Differenzierungen
Der JMStV differenziert zwischen per se unzulässigen Angeboten (§ 4 JMStV), und entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten (§ 5 JMStV).
Per se unzulässige Angebote, § 4 JMStV
§ 4 JMStV nennt insbesondere solche Angebote, die sowohl im Rundfunk als auch in anderen Telemedien per se verboten sind. Hierzu zählen insbesondere Angebote, wenn sie:
- PropagandamittelS.v. § 86 StGB darstellen,
- zum Hass gegen bestimmte Bevölkerungsteile oder -gruppen aufstacheln oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern,
- den Krieg verherrlichen,
- gegen die Menschenwürde verstoßen,
- Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen,
- in der Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen oder inhaltsgleich sind oder
- offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit schwer zu gefährden.
Solche Angebote unterliegen einem absoluten Verbreitungs- bzw. Ausstrahlungsverbot.
Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote, § 5 I JMStV
Gem. § 5 I JMStV liegen entwicklungsbeeinträchtigende Angebote dann vor, wenn sie „geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen“.
Anbieter, die entsprechende Angebote verbreiten oder zugänglich machen, haben gem. § 5 I S. 1 JMStV „dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe sie üblicherweise nicht wahrnehmen“.
Dabei differenziert der JMStV zwischen folgenden Altersstufen:
- ab 6 Jahren
- ab 12 Jahren
- ab 16 Jahren
- ab 18 Jahren
Insbesondere folgt bei entsprechenden Angeboten keine konkrete Sorgfaltspflicht des Anbieters für jeden Einzelfall. Vielmehr kommt es bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes darauf an, dass die Angebote „üblicherweise“ nicht wahrgenommen werden.
- 5 II JMStV stellt dabei eine Vermutung auf, wann Angebote regelmäßig die Eignung zur Beeinträchtigung der Entwicklung aufweisen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sie nach dem Jugendschutzgesetz für Kinder oder Jugendliche der jeweiligen Altersstufe nicht freigegeben sind.
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Werbung und Teleshopping
Besonders hohe Anforderungen gelten auch mit Blick auf Werbung und Teleshopping.
So darf Werbung gem. § 6 II JMStV
- Kinder und Jugendliche nicht körperlich oder seelisch beeinträchtigen,
- Kinder und Jugendliche nicht direkt zum Kaufen oder Mieten von Waren und Dienstleistungen aufrufen
- nicht das besondere Vertrauen ausnutzen, dass diese zu ihren Eltern oder anderen Vertrauenspersonen haben
- bei Werbung für alkoholische Getränke nicht an diese richten, besonders ansprechen oder beim Alkoholgenuss darstellen.
Diese Grundsätze gelten nicht nur bei der Werbung, sondern darüber hinaus gem. § 6 VI JMStV auch für das Teleshopping und Sponsoring.
Sendezeitbeschränkungen
Eine denkbare Sendezeitbeschränkung für den Rundfunk sieht der JMStV hingegen nicht vor. § 8 I JMStV sieht lediglich für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor, dass diese die Kommission für Jugendmedienschutz oder andere anerkannte Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle sich Richtlinien zur Sendezeitbeschränkung geben können.
Werden Sendungen außerhalb der für sie geltenden Sendezeitbeschränkung angekündigt, dürfen die Inhalte der Programmankündigung nicht entwicklungsbeeinträchtigend sein. Ist eine solch entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren anzunehmen, muss dies durch akustische Zeichen oder optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich gemacht werden, § 10 I, II JMStV.
Video-Sharing-Dienste, § 5a JMStV
Video-Sharing-Dienste müssen iRd Kinder- und Jugendschutzes gem. § 5a I JMStV angemessene Maßnahmen ergreifen, um Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten zu schützen.
Wie mögliche Systemlösungen aussehen können, kann dem Absatz 2 entnommen werden. So sind Systeme zur Altersverifikation und die Einrichtung von Systemen zur Zugangskontrolle durch die Eltern denkbar. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht abschließend („kommen insbesondere in Betracht“).
Bekannte Umsetzungsbeispiele sind insbesondere bei YouTube und Netflix zu finden. Bei YouTube können jugendgefährdende Inhalte nur dann angesehen werden, wenn der Nutzer sich mit seinem Profil einloggt (in diesem ist das Geburtsjahr und damit das Alter vermerkt). Bei Netflix hingegen ist die Einrichtung eines „Kinder-Profils“ möglich. Andere Anbieter setzen hingegen auf die Eingabe eines „Jugendschutz-PINs“. Die Lösungsmöglichkeiten sind also vielseitig.
Aufsicht & Selbstkontrolle
Ob die Regelungen des JMStV eingehalten werden, kontrollieren wieder entsprechende Einrichtungen. Hierbei ist jedoch zu unterscheiden:
Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk übt der Rundfunkrat die Aufsicht aus.
Beim privaten Rundfunk übernimmt diese Aufgabe die Kommission für jugendgefährdende Medien (KJM) als Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt.
Auch der JMStV kennt ähnliche wie das JuSchG Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle und damit den Grundsatz von der „regulierten Selbstregulierung“ (§ 19 JMStV):
- Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF)
- Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)
Grundsätzlich ist die Kommission für jugendgefährdende Medien an die Entscheidungen der FSF und FSM gebunden bzw. muss diese berücksichtigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beurteilungsspielraum überschritten wurde.
Der Jugendschutzbeauftragte
Ob und wann ein Anbieter einen Jugendschutzbeauftragen bestellen muss, regelt § 7 JMStV.
Wann muss ich einen Jugendschutzbeauftragen bestellen?
Einen Jugendschutzbeauftragten muss gem. § 7 I JMStV von demjenigen bestellen, der
- länderübergreifendes Fernsehen veranstaltet oder
- geschäftsmäßig allgemein zugängliche Telemedien anbietet, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten oder
- eine Suchmaschine anbietet.
Dabei brauchen neben den Inhalteanbietern auch die Hostprovider (und nach Ansicht der KJM auch Accessprovider) einen Jugendschutzbeauftragten.
Welche Ausnahmen gibt es?
Gem. § 7 II JMStV muss ein solcher nicht bestellt werden, wenn der Anbieter
- weniger als 50 Mitarbeiter oder
- weniger als 10. Mio. Zugriffe im Monatsdurchschnitt eines Jahres hat oder
- Veranstalter, die nicht bundesweit verbreitetes Fernsehen veranstalten.
Welche Aufgabe hat der Jugendschutzbeauftragte?
Der Jugendschutzbeauftragte stellt zum einen eine Ansprechperson für die Nutzer dar und nimmt Hinweise auf jugendgefährdende Inhalte entgegen. Zum anderen berät er die Anbieter eines entsprechenden Angebots zu allen Fragen und Problemen rund um den Jugendschutz.
Jugendschutzbeauftragter kann jedoch nicht jeder sein. § 7 IV JMStV setzt nämlich voraus, dass der Jugendschutzbeauftragte die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Fachkunde besitzen, sich also entsprechend schulen muss. Dabei kann der Jugendschutzbeauftragte sowohl Mitarbeiter des Anbieters als auch ein externer Dienstleister sein. Eine juristische Ausbildung oder eine Rechtsanwaltszulassung sind jedoch nicht erforderlich.
Dabei sollen gem. § 7 V JMStV die Jugendschutzbeauftragten der Anbieter in einen regelmäßigen Erfahrungstausch eintreten.
Jugendmedienschutzrecht: Fazit
Ob das JuSchG oder der JMStV Anwendung findet, ist davon abhängig, ob es sich um Trägermedien (dann JuSchG) oder digitale Medien (dann JMStV) handelt.
Sowohl nach dem JuSchG als auch nach dem JMStV müssen die Anbieter grundsätzlich selbst prüfen, ob die Angebote den jeweils geltenden Jugendschutzbestimmungen genügen.
Es gilt sowohl im JuSchG als auch nach dem JMStV das Prinzip der „regulierten Selbstregulierung“. Entsprechende Alterskennzeichnungen werden dabei von industrienahen Organen der freiwilligen Selbstkontrolle (FSK, USK, FSF, FSM) vorgenommen.
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