Medienberichte über Strafverfahren – Pressefreiheit vs. Persönlichkeitsrecht
Medienberichte über Strafverfahren beschäftigen die auf das Presserecht spezialisierten Kammern und Senate der Land- und Oberlandesgerichte immer wieder. Das Bundesverfassungsgericht und der BGH haben hierzu Vorgaben gemacht, welche nicht immer zutreffend von den Instanzgerichten umgesetzt werden. Als Fachanwälte für Medienrecht erleben wir dies leider regelmäßig im Rahmen unserer anwaltlichen Praxis.
Missbrauch des öffentlichen Informationsinteresses
Das öffentliche Informationsinteresse kann es rechtfertigen, über möglicherweise strafrechtlich relevantes Verhalten zu berichten. Für die Rechtmäßigkeit einer solchen Verdachtsberichterstattung gelten seither hohe Anforderungen. Dennoch berichten Medien oftmals über vermeintliche Verfehlungen Einzelner unter Missachtung der höchstrichterlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Motivation der Medienhäuser über mögliche Straftaten zu berichten, liegt auf der Hand.
Die Medienlandschaft befindet sich in den Fängen der Aufmerksamkeitsökonomie und benötigt oftmals „Skandale“ und „Skandälchen,“ um im Wettbewerb um Klickzahlen standzuhalten. Das Motiv „als erster die Story herauszubringen“, macht Alltagsjournalismus letztlich aus. Die Medien entsprechen damit aber auch selbstverständlich berechtigten Interessen. Den Medien obliegt es schließlich, die Öffentlichkeit über Zeitgeschehen, worunter auch Straftaten fallen, zu informieren. Nicht ohne Grund beschreibt sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Bundesgerichtshof die Funktion der Presse als „öffentlichen Wachhund“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 565/06; BGH, Urteil vom 18.12.2018 – VI ZR 439/17).
Das Dilemma einer Verdachtsberichterstattung
Das Problem bei Verdachtsberichterstattungen ist offensichtlich. Es wird über einen Verdacht berichtet. Mit anderen Worten: Der Verdacht kann sich später als begründet aber auch als unbegründet herausstellen. Dies liegt in der Natur der Sache. Schwerwiegende Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts sind oft vorprogrammiert.
Auf der einen Seite kann es nicht sein, dass die Presse nur solche Informationen verbreiten darf, deren Wahrheit feststeht. Dies würde schon ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgabe der öffentlichen Meinungsbildung widersprechen. Daher ist es anerkannt, dass die Presse grundsätzlich über den Verdacht von Straftaten identifizierend berichten darf. Dies gilt auch dann, wenn sich der Verdacht nachträglich als falsch herausstellt.
Damit gehen natürlich erhebliche Risiken für den Betroffenen einher. Nicht selten reichen schon Verdächtigungen aus, um Existenzen zu zerstören. Oftmals werden Verdächtigungen für bare Münze genommen. Ob sich der Verdacht als haltlos herausstellt, interessiert die Leserschaft/Zuschauerschaft dann zumeist nicht mehr. Doch „irgendetwas bleibt immer hängen.“
An diesem Interessenwiderspruch entzünden sich zumeist rechtliche Auseinandersetzungen. Die Nachteile für den (potentiell) zu Unrecht Betroffenen sollen dabei durch besondere Anforderungen an das Informationsinteresse sowie an die einzuhaltende Sorgfalt ausgeglichen werden. Wichtiger Ansatzpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung ist regelmäßig auch der Stand des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.
Voraussetzungen der Medienberichterstattung über einen Verdacht
Im Spannungsverhältnis zwischen der Meinungs-/ Pressefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen kommt es grundsätzlich zu einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Im Rahmen dieser Abwägung ist von erheblicher Bedeutung, ob die Voraussetzungen einer zulässigen Berichterstattung erfüllt sind.
Erforderlich ist stets ein Mindestbestand an Beweistatsachen, der für den Wahrheitsgehalt der Verdächtigungen spricht und ihm damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleiht. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2016 – VI ZR 367/15).
Eine identifizierende Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sich die Tat bzw. der Tatverdacht aus dem Kreis „üblicher“ im Sinne von leichter und mittlerer Kriminalität besonders heraushebt und von erheblicher Bedeutung ist. Es muss ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt sein. Eine derartige Informationsinteresse dürfte in der Regel bei Straftaten wie Mord, Raub, Entführungen, Vergewaltigung, Betrug in großem Stil, Wirtschaftsstraftaten anzunehmen sein.
Aber auch für Straftaten aus einem Bereich, der einen Gegenstand aktueller öffentlicher Diskussion bildet, wie beispielsweise bei rassistischem Hintergrund oder organisierter Kriminalität. In Ausnahmefällen ist jedoch auch eine Verdachtsberichterstattung über weniger schwerwiegende Verdächtigungen gerechtfertigt. Dies kommt wie so oft auf die Umstände des Einzelfalls an.
Anknüpfungs- und Beurteilungszeitpunkte des Strafverfahrens im Zivilprozess
Bei der Geltendmachung von zivilrechtlichen Unterlassungsansprüchen gegenüber dem jeweiligen Medium ist Folgendes zu berücksichtigen: Für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Endes der mündlichen Verhandlung maßgeblich. Mit anderen Worten: Wenn die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs zu diesem Zeitpunkt zu bejahen sind, besteht dieser fort. Dies gilt auch dann, wenn sich später die Sach- oder Rechtslage verändert hat.
Folgende Abschnitte des Strafverfahrens haben Einfluss auf den Zivilprozess:
- Es laufen Ermittlungen.
- Das Ermittlungsverfahren wird eingestellt.
- Es kommt zu einer Verurteilung.
- Es kommt zu einem Freispruch.
- Die Strafe ist verbüßt.
Eine zulässiger Medienbericht über ein Strafverfahren setzt aber nicht voraus, dass überhaupt schon Strafverfolgungsbehörden tätig geworden sind; die Presse darf auch einen Verdacht thematisieren, zu dem noch nicht ermittelt wird.
Medienberichte über Strafverfahren vor Anklageerhebung
Für sich genommen genügt zudem die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder gar eine bloße Strafanzeige nicht, um in zulässigerweise über einen Verdacht zu berichten. Es müssen weitere Umstände hinzutreten. Wenn die Umstände des Einzelfalls keinen Anlass zur Erhebung einer Anklage geben, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
In § 170 StPO heißt es:
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
In den Fällen, in denen es nicht einmal zur Anklageerhebung kommt, weil die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (§ 170 Abs. 2 stopp), gilt nach der Rechtsprechung (KG, Urteil vom KG 28.04.1987 – 9 U 1052/87) Folgendes:
„Das Recht der Öffentlichkeit auf wahrheitsgemäße Informationen, auf das sich die Ag. beruft, rechtfertigt nicht schlechthin jede wahre Mitteilung über eine Person, sondern nur solche, an deren Kenntnisnahme die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches Interesse läßt sich für die Äußerung über das gegen die Ast. Gerichtete und dann eingestellte Ermittlungsverfahren nicht feststellen. Dabei kann es auf sich beruhen, ob das Interesse vorhanden war, als das Ermittlungsverfahren noch nicht eingestellt war. Nachdem das Ermittlungsverfahren eingestellt ist, ist ein solches Interesse der Öffentlichkeit an der Mitteilung darüber jedenfalls nicht erkennbar. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist nach dem Einstellungsbescheid der StA nach umfangreichen Ermittlungen und Untersuchungen deshalb verfügt worden, weil festgestellt worden ist, “daß keine über bloße Vermutungen hinausgehenden Verdachtsmomente gegen die” Ast. “wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit bestehen“. Damit hat sich der geäußerte Verdacht als unbegründet erwiesen. Er ist daher nach seiner Entstehung und seinem Inhalt für die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Persönlichkeit der Ast., die zeitgeschichtlich keinen absoluten Rang hat, ohne Belang. Auch die Mitteilung des eingestellten Ermittlungsverfahrens, die nach dem Sinn des Kontextes zu der Äußerung die Öffentlichkeit nicht von der Entlastung der Ast. Von dem Verdacht unterrichten will, ist damit insoweit ohne Bedeutung. An deren Kenntnisnahme hat die Öffentlichkeit kein berechtigtes Interesse.“
Ein öffentliches Informationsinteresse an einer identifizierenden Medienberichterstattung dürfte im Falle einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO grundsätzlich zu verneinen sein.
Medienberichte über Strafverfahren nach Urteilsspruch
In § 190 StGB heißt es:
Ist die behauptete oder verbreitete Tatsache eine Straftat, so ist der Beweis der Wahrheit als erbracht anzusehen, wenn der Beleidigte wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden ist. 2 Der Beweis der Wahrheit ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Beleidigte vor der Behauptung oder Verbreitung rechtskräftig freigesprochen worden ist.
Der Abschluss eines Strafverfahrens ist somit auch für einen etwaigen Zivilprozess von entscheidender Bedeutung. Entweder dürfte der Beweis einer Straftat als erbracht anzusehen sein, oder im Falle eines Freispruchs gilt der Beschuldigte unwiderleglich als unschuldig. Ein Beweis seiner Täterschaft ist ausgeschlossen. Im letzteren Fall dürfte eine identifizierende Berichterstattung nicht zulässig sein.
Medienberichte über Strafverfahren nach Verbüßen der Strafe
Ein weiterer wichtiger Aspekt nach einer Verurteilung ist das Recht des Verurteilten auf Resozialisierung. Das Recht des Verurteilten, mit seiner Tat „allein gelassen zu werden, steht dem Interesse der Presse, auch noch Jahre nach der Verurteilung über die Tat zu berichten, gegenüber.
Das Bundesverfassungsgericht hält insoweit fest:
Bei der Abwägung fällt neben der Rundfunkfreiheit Artikel 5 I 2 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. Artikel 1 I GG ins Gewicht, dessen Schutz die von den Zivilgerichten herangezogenen Vorschriften bezwecken. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bezieht sich neben anderem auf Darstellungen der Person durch Dritte (vgl. BVerfGE 35, BVERFGE Jahr 35 Seite 202 [BVERFGE Jahr 35 Seite 220] = NJW 1973, NJW Jahr 1973 Seite 1226). Der Schutz, den das Grundrecht insoweit vermittelt, wirkt aber nicht im Sinne eines generellen Verfügungsrechts über sämtliche Informationen oder Bewertungen, die Dritte hinsichtlich einer Person äußern. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz vielmehr gegenüber solchen Darstellungen, die das Persönlichkeitsbild des Einzelnen in der Öffentlichkeit verfälschen oder entstellen oder seine Persönlichkeitsentfaltung, etwa durch die von ihr ausgehenden Stigmatisierungsverfahren, erheblich beeinträchtigen (vgl. …).
Eine derartige Beeinträchtigung liegt auch in Darstellungen, die die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach Verbüßung der Strafe wesentlich zu erschweren drohen (vgl. …). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern aber keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Ein solches Recht lässt sich weder dem Lebach-Urteil von 1973 noch anderen Entscheidungen des BVerfG entnehmen. Im Lebach-Urteil hat das BVerfG lediglich festgestellt, dass das Persönlichkeitsrecht vor einer zeitlich unbeschränkten Befassung der Medien mit der „Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre” Schutz bietet (vgl. …). Eine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse war damit nicht gemeint. Entscheidend ist vielmehr stets, in welchem Maß eine Berichterstattung die Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen kann (vgl. BVerfGE 97, BVERFGE Jahr 97 Seite 391 [BVERFGE Jahr 97 Seite 403] = NJW 1998, NJW Jahr 1998 Seite 2889). Auch die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden”. Mit der Strafverbüßung ist dem Strafanspruch des Staats Genüge getan. Das Verhältnis des Täters zu sonstigen Dritten, insbesondere den Medien, bleibt dabei unberührt. Dementsprechend hat das BVerfG im Lebach-Urteil 1973 auch nicht auf den Umstand abgestellt, dass der damalige Bf. seine Strafe weitgehend verbüßt hatte. Maßgeblich für die Beurteilung war vielmehr die Gefährdung der Resozialisierung, falls das ZDF-Dokumentar-Fernsehspiel ausgestrahlt worden wäre. Die Resozialisierung eines Straftäters ist ein genuin persönlichkeitsrelevantes Anliegen von hohem Rang, das selbst dann zu beachten wäre, wenn ein Täter keine oder nur eine sehr kurze Freiheitsstrafe verbüßt hätte.
Bei der Frage, ob Medienberichte über Strafverfahren zulässig sind, ist also stets eine Einzelfallabwägung vorzunehmen. Pauschale Aussagen lassen sich nicht treffen. Eine starre zeitliche Grenze gibt es ebenso nicht. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Eine vollständige Namensnennung ist jedoch regelmäßig bei außergewöhnlich schwerwiegenden Straftaten auch Jahre nach der Verurteilung zulässig.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschl. v. 20.9.2006 – 16 W 56/06) hält insoweit fest:
Das von dem Antragsteller begangene Verbrechen gehört aufgrund der Persönlichkeit des Täters und des Opfers, der vorangegangenen kriminellen Karriere des Antragstellers, die bereits einmal die Familie des Opfers getroffen hatte, der besonderen Brutalität der Tat, der Verstrickung seines Sohnes und nicht zuletzt aufgrund des Verhaltens des Antragstellers vor Gericht zu den spektakulären Kriminalfällen der jüngeren Geschichte. Vor diesem Hintergrund war es nicht zu beanstanden, dass der Art. 5 Jahre nach Rechtskraft des Urteils über den Antragsteller noch mit voller Namensnennung berichtet hat.
Eine im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässige Berichterstattung über einen namentlich genannten Straftäter soll nach Auffassung des BGH auch lange Zeit nach Abschluss des Strafverfahrens und sogar über den Zeitpunkt der Haftentlassung des Täters hinaus weiterhin verbreitet werden dürfen. Der BGH (BGH, Urteil vom 15. 12. 2009 – VI ZR 227/08) hält insoweit fest:
Geht es um eine Berichterstattung über eine Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. …).
[15] Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. …).
[16] Mit zeitlicher Distanz zur Straftat gewinnt dagegen das Interesse des Täters, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung. Das Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre (vgl. …). Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Verfolgung und Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, lassen sich wiederholte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Hiermit ist allerdings keine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse gemeint. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden”. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird (vgl. …). Für die Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kommt es auch auf die Art und Weise der Darstellung, insbesondere auf den Grad der Verbreitung des Mediums an. So stellt eine Fernsehberichterstattung in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen dar als eine Wortberichterstattung (vgl. ….).
Nach Auffassung des BGH sind somit wahrheitsgemäße Aussagen über eine Tat, die erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hat, grundsätzlich zulässig. Dies allerdings nur, wenn sie sachbezogen, zurückhaltend und ohne zusätzliche stigmatisierende Umstände wiedergegeben werden und der Veröffentlichung nur eine geringe Breitenwirkung zukommt.
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