Mobbing am Arbeitsplatz
Mobbing am Arbeitsplatz ist und bleibt ein großes Problem in unserer Arbeitswelt und sollte auf keinen Fall ein Tabuthema bleiben. Es kostet den Arbeitgeber verlorene Arbeitsleistung, wenn sein Arbeitnehmer als Mobbingopfer ausfällt, und den Arbeitnehmer selbst trifft großes Leid.
Der folgende Beitrag gibt einen rechtlichen Überblick über das Thema Mobbing am Arbeitsplatz.
Was versteht man unter Mobbing?
Schon 1997 definierte das Bundesarbeitsgericht Mobbing als systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte bzw. den Arbeitgeber selbst (BAG 15. 1. 1997 – 7 ABR 14/96). Seitdem wurde diese Definition durch die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte fortentwickelt, hiernach erfasst im arbeitsrechtlichen Verständnis der Begriff des „Mobbing”
fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.
Ein vorgefasster Plan ist nicht erforderlich. Eine Fortsetzung des Verhaltens unter schlichter Ausnutzung der Gelegenheit ist ausreichend. Zur rechtlich zutreffenden Einordnung kann dem Vorliegen von falltypischen Indiztatsachen (mobbingtypische Motivation des Täters, mobbingtypischer Geschehensablauf, mobbingtypische Veränderung des Gesundheitszustands des Opfers) eine ausschlaggebende Rolle zukommen, wenn eine Konnexität zu den von dem Betroffenen vorgebrachten Mobbinghandlungen besteht.
Ein wechselseitiger Eskalationsprozess, der keine klare Täter-Opfer-Beziehung zulässt, steht regelmäßig der Annahme eines Mobbingsachverhaltes entgegen (LAG Thüringen, Urteil vom 10.4.2001 – 5 Sa 403/2000; ArbG Gera, Urteil vom 11.8.2000 – 2 Ga 8/2000).
Es handelt sich bei Mobbing nicht um einen Rechtsbegriff. So sind immer die Umstände des Einzelfalls anzuschauen und zu beurteilen, ob das zu untersuchende Verhalten sich vom allgemein üblichen und einem gerade noch hinzunehmenden Verhalten abgrenzt.
Denn z.B. nicht jede sogar heftigere verbale Auseinandersetzung fällt unter Mobbing. Insbesondere bei einmaligen oder kurzfristigen Konflikten fehlt es an der für das Mobbing wichtigen Voraussetzung des systematischen Anfeindens, Diskriminierens oder Schikanierens.
Wie kann ich rechtlich gegen Mobbing vorgehen? Welche Anspruchsgrundlagen gibt es?
Vertragliche Ansprüche gegen Mobbing am Arbeitsplatz
Als Anspruchsgrundlage gegenüber dem Arbeitgeber kommt zunächst der Schadensersatzanspruch wegen einer Vertragsverletzung gemäß § 280 BGB, vor allem wegen der Verletzung von Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag, in Frage. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers obliegt dem Arbeitgeber vertraglich als Nebenpflicht. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit.
Die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte wirkt im Arbeitsrecht insbesondere.
Deliktsrechtliche Ansprüche gegen Mobbing am Arbeitsplatz
Daneben kommen gegen den Arbeitgeber wie auch gegen Vorgesetzte und Arbeitskollegen deliktsrechtliche Ansprüche in Betracht. Im Sinne des deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs kann entweder eine unerlaubte Handlung in Form von einer Belästigung, Beleidigung oder Psychoterror vorliegen (§ 823 I BGB) oder ein Schutzgesetz verletzt sein (§ 823 II BGB). Dabei ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht seit langem als sonstiges Recht und damit schutzwürdiges Rechtsgut im Sinne von § 823 I BGB anerkannt.
Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu ermitteln. In die Abwägung fließt vor allem die Frage, welche Sphäre verletzt ist, ob die Individual-, Privat- oder Intimsphäre. Zudem spielen die Schwere und Dauer der Beeinträchtigung und auf Arbeitgeberseite dessen betriebliche Interessen eine Rolle.
Eine Haftung des Arbeitgebers kann sich auch bei Mobbingaktivitäten durch Dritte ergeben, wenn der Arbeitgeber einen vertraglichen Einfluss auf den Dritten besitzt. Ferner kann sich auch eine Haftung des Arbeitgebers bei Organisationsverschulden ergeben, wenn er seinen Betrieb nicht so organisiert hat, dass systematisches Mobbing ausgeschlossen oder direkt nach dem Auftreten sofort unterbunden wird.
Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gegen Mobbing am Arbeitsplatz
Der Bereich des Mobbings ist jetzt auch durch § 3 III des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes abgedeckt (AGG). Gemäß § 3 III ist auch eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 des AGG genannten Grund, also einem Grund wie der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Gemäß § 7 I AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. In den vorstehenden Fällen kommen auch Schadensersatzansprüche und Entschädigungsansprüche in Frage (§ 15 AGG). Sofern ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der dem Vorgesetzten bzw. dem Weisungsbefugten zugewiesenen Aufgabe und der schuldhaften Mobbingaktivität vorhanden ist, haftet der Arbeitgeber auch für den Weisungsbefugten bzw. Vorgesetzten.
Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen (§ 12 III AGG).
Beim vertraglichen wie auch deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch muss durch die das Mobbing ausführende Person adäquat kausal ein Schaden hervorgerufen worden sein. Mögliche Schadensersatzposten können z.B. Bewerbungs- oder Arztkosten sein.
Ansprüche aus dem Opferentschädigungsgesetz gegen Mobbing am Arbeitsplatz
Diskutiert wird auch, ob Mobbingaktivitäten tätliche Angriffe im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) sein können. Gemäß § 1 I OEG hat Anspruch auf Versorgung, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat. Dabei ist tätlicher Angriff jede in feindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung, wobei nach der Rechtsprechung nicht erforderlich ist, dass es tatsächlich zu einer körperlichen Berührung kam.
Kann der Arbeitnehmer nach einem Mobbing auch Schmerzensgeld verlangen?
Ja, insbesondere bei Verletzungen des Körpers und der Gesundheit kann der Arbeitnehmer Schmerzensgeld verlangen. Führt z.B. ein schuldhaftes dienstliches Verhalten eines Vorgesetzten dazu, das ein ihm unterstellter Mitarbeiter psychisch erkrankt, so hat der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf eine billige Entschädigung in Schmerzensgeld, wenn sich der Arbeitgeber des Vorgesetzten als Erfüllungsgehilfen bedient hat.
Im Hinblick auf eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts muss eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegen und auf andere Weise Genugtuung durch Unterlassung, Gegendarstellung oder Widerruf nicht zu erlangen sein.
Die Höhe des Schmerzensgelds variiert je nach Einzelfall und dem entscheidenden Gericht. Hier sind ein paar Beispiele:
- Mobbing durch Entziehung von Aufgaben, Schikane und Degradierung durch Arbeitgeber, 53.000 EUR (Arbeitsgericht Leipzig 2012)
- persönliche Herabsetzung in vielen Fällen, ca. 26.500 EUR (Arbeitsgericht Ludwigshafen, 2000)
- Beleidigungen, Entziehungen von Aufträgen, Verbot des Kundenkontakts, Kürzung des Gehalts, 24.000 EUR (Landesarbeitsgericht Hannover)
- systematische Verletzungen des Persönlichkeitsrechts in 34 Fällen über 1 Jahr, 17.500 EUR (Landesarbeitsgericht Hannover, 2005).
Stellt Mobbing einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar?
Ja, dem Mitarbeiter oder Vorgesetzten, der systematisch die Ehre, Gesundheit oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen Arbeitskollegen verletzt oder den Betriebsfrieden durch Mobbinghandlungen nachhaltig stört, kann außerordentlich gekündigt werden, und das auch in vielen Fällen ohne eine vorgeschaltete Abmahnung.
Welche weiteren Sanktionen gibt es bei Mobbing?
Die Person, die einen Arbeitskollegen gemobbt hat, können neben der Kündigung auch Ansprüche des Arbeitgebers auf Schadensersatz treffen. Der Schaden des Arbeitgebers kann hier z.B. in der Entgeltfortzahlung bei Krankheit des Mobbingopfers oder in Form von Kosten, die mit der Einstellung eines neuen Arbeitnehmers verbunden sind, vorliegen.
Was tun, wenn man sich Mobbing ausgesetzt sieht?
Als allererstes sollte man versuchen, den Mobbingtäter direkt auf seine Taten anzusprechen und das am allerbesten in der Gegenwart von Zeugen, und ihn auffordern, sein Verhalten sofort einzustellen. Ferner kann sich das Mobbingopfer beim Vorgesetzten, beim Arbeitgeber, bei einem Gleichstellungsbeauftragten, einem Compliance-Beauftragten oder dem Betriebsrat über das Mobbing beschweren, sodass Maßnahmen gegen den Mobbingtäter eingeleitet werden können.
Sollte der Arbeitgeber nichts gegen das Mobbing tun, kann der Arbeitnehmer auch seine Arbeit einstellen, ohne seinen Anspruch auf sein Arbeitsentgelt zu verlieren. Schließlich dürfte es auch einen außerordentlichen Kündigungsgrund für den Arbeitnehmer darstellen.
Sollte sich der Arbeitnehmer entscheiden, gegen den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu klagen, so ist das Arbeitsgericht hierfür zuständig.
Dokumentation von Mobbinggeschehnissen am Arbeitsplatz
Um das Mobbing in einem gerichtlichen Verfahren nachweisen zu können, sollte der Arbeitnehmer alle Mobbinggeschehnisse in einer Art Tagebuch dokumentieren, und, falls möglich, Beweise sammeln. Was mögliche vertragliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung von z.B. Schadensersatzansprüchen angeht, so hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16.5.2007 (Az. 8 AZR 709/06) entschieden, dass in Mobbing-Fällen die Ausschlussfrist wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung beginnt.
Tipps für Arbeitgeber
Darlegungs- und Beweislast bei einer Klage wegen eines Mobbings
Die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung des Rechtsgutes, also z.B. der Ehre, der Gesundheit oder des Persönlichkeitsrechts, und den entstandenen Schaden trägt bei einer deliktsrechtlichen Klage auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld wegen Mobbings das Mobbingopfer. Basiert die Klage hingegen auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch trägt das Mobbingopfer die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der arbeitsrechtlichen Nebenpflicht sowie für den eingetretenen Schaden.
Sind die Pflichtverletzung, der Schaden und die Kausalität bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch durch das Mobbingopfer bewiesen, muss sich der Arbeitgeber gemäß § 280 I 2 BGB entlasten und darlegen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, also weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat.
Das Mobbingopfer muss konkret und substantiiert, also nach Ort und Zeit, vortragen, wann und wo genau die jeweilige Mobbinghandlung vollzogen worden ist. Hierbei reicht es z.B. nicht aus, dass vorgetragen wird, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraumes von 3 Jahren insgesamt acht ungerechtfertigte Abmahnungen vom Arbeitgeber erhalten hat. Es müssen nämlich schlüssig die Tatsachen so vorgetragen werden, dass das Gericht von einer dauernden Rechtsgutsverletzung ausgehen kann.
Ein Beweisproblem kann auch die Frage der Kausalität zwischen der Mobbingaktivität und dem Schaden darstellen. So z.B. in dem Fall, in welchem versucht wird, den Arbeitsplatzwechsel des Mobbingopfers auf das Mobbing zurückzuführen.
Fazit
Dieser Beitrag zeigt auf, dass man als Mobbingopfer Mobbing auf keinen Fall hinnehmen muss und sich wehren sollte. Dabei gibt es als Arbeitnehmer einmal den Weg gegen den Arbeitgeber oder auch gegen den das Mobbing ausübenden Arbeitskollegen. Es bestehen unterschiedliche Ansprüche, um sich effektiv gegen Mobbing am Arbeitsplatz zu wehren. Unsere Anwälte für Arbeitsrecht beraten und vertreten Sie gern bei allen Fragen rund um das Thema Mobbing am Arbeitsplatz und natürlich auch bei anderen arbeitsrechtlichen Fragen.
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