Persönlichkeitsrechte von Politikern – Wirbel um Partyvideo von finnischer Ministerpräsidentin
Politiker*innen sind aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung in unserer demokratischen Gesellschaft unentwegt Gegenstand medialer Berichterstattung. Der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“, geschützt von Art. 5 I GG, kommt dabei die Aufgabe zu, das politische Geschehen zu überblicken und Missstände aufzuzeigen, um den Bürger*innen eine freie politische Willensbildung, als wohl wichtigste Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie zu ermöglichen. Demgegenüber steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Politikern.
Kritik an Sanna Marin wegen eines Partyvideos
Häufig sind Politiker*innen dabei starker Kritik durch die Öffentlichkeit ausgesetzt. Erfahren musste dies zuletzt die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, als ein privates Video von ihr ungewollt veröffentlicht wurde, welches die 36-jährige ausgelassen beim Tanzen und Feiern auf einer nicht-öffentlichen Party mit Freunden zeigte.
Das Video ging viral und trat eine Welle der Kritik los. Teile der finnischen Opposition stellten ihre Amtstauglichkeit infrage und forderten einen Drogentest, der nach Abgabe einer Probe durch die Politikerin negativ ausfiel. Größer als das Gerücht über einen angeblichen Drogenkonsum von Sanna Marin stand jedoch der Vorwurf im Raum, dass ihr Verhalten für eine Regierungschefin unangemessen sei. Dürfen Politiker*innen also keine Partys feiern?
Politiker*innen haben eine Vorbildfunktion
Die Meinungen in Finnland und der restlichen Welt sind gespalten. So sind einige der Auffassung, dass die Politikerin die Ernsthaftigkeit ihres Amtes noch nicht verinnerlicht habe. Mit ihrer unkonventionellen und offenen Art erfreute sich die jüngste Premierministerin Finnlands bisher großer Beliebtheit.
Das Partyvideo ginge nun jedoch zu weit. Als Ministerpräsidentin vertritt Sanna Marin Finnland nach außen und dementsprechend viel Gewicht wird ihrem öffentlichen Auftreten beigemessen. Zudem kommt ihr als Politikerin eine Vorbildfunktion zu. Dieser werde sie in Zeiten der Krise beim ausgelassenen Feiern nicht gerecht.
Politiker*innen sind auch Menschen
Andere führen jedoch an, dass Sanna Marin die Party nicht im Rahmen ihrer öffentlichen Funktion als Politikerin, sondern als Privatperson besucht habe. Entsprechend äußerte sie sich auch selbst zu den Vorwürfen: Sie sei ein Mensch und vermisse auch manchmal Freude.
Zudem habe sie bisher keinen einzigen Arbeitstag versäumt oder Aufgaben unerledigt gelassen. Sie wünsche sich, dass Menschen Politiker*innen mehr nach ihrer Arbeit als nach ihren Freizeitaktivitäten beurteilen würden. Dafür erhielt sie viel Unterstützung.
Unter dem Hashtag #SolidaritywithSanna wurden im Internet Partyclips verbreitet und auch andere Politiker*innen, wie Annalena Baerbock, stärkten ihr den Rücken:
„Selbst, wenn es einige vielleicht schockiert: Politiker sind Menschen, haben ein Privatleben“, sagte sie bei einem Antrittsbesuch in Dänemark.
Spannungsverhältnis zwischen Interessen der Öffentlichkeit und Interessen der Betroffenen
Dass die Grenzen zwischen der öffentlichen Funktion von Politiker*innen und ihrer Privatperson verschwimmen, ist keine Seltenheit. Auch deutsche Politiker*innen müssen sich in Bezug auf ihr Privatleben immer wieder heftiger medialer Kritik stellen, möge man zuletzt an Christian Lindners kostspielige Hochzeit auf Sylt oder Christine Lambrechts Helikopterflug mit ihrem Sohn denken.
Dahinter verbirgt sich jedoch ein großes medienrechtliches Problem: Denn auch Politiker*innen haben ein Recht auf Privatsphäre und sind durch ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG vor unerwünschten Eingriffen durch die Medien geschützt. Wird nun nicht nur ihr Verhalten in öffentlicher Funktion, sondern auch ihr Privatleben in den Medien thematisiert, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und den Interessen der Betroffenen, welches in einen gerechten Ausgleich gebracht werden muss.
Recht am eigenen Bild
Insbesondere ist dabei das Recht am eigenen Bild von Bedeutung, welches Politiker*innen Schutz vor ungewollten Aufnahmen ihrer Erscheinung sowie deren Verbreitung bietet. Demnach dürfen Bildnisse nach § 22 KUG grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Ausnahme bildet jedoch § 23 I Nr. 1 KUG, wonach eine Einwilligung nicht erforderlich ist, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, vorausgesetzt, dass nach § 23 II KUG keine berechtigten Interessen der abgebildeten Person verletzt werden.
Früher durften Bildnisse von Politiker*innen stets ohne deren Einwilligung verbreitet werden, da sie als absolute Personen der Zeitgeschichte aufgrund ihrer hervorgehobenen Rolle im gesellschaftlichen Leben ein umfassendes Informationsinteresse der Allgemeinheit begründeten. Heute wird jedoch verstärkt auf den zeitgeschichtlichen Zusammenhang des Bildnisses abgestellt, sodass maßgeblich ist, ob die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft.
Der Begriff der Zeitgeschichte erfasst dabei alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, wird also durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestimmt.
Erforderlichkeit einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung
Insoweit ist eine Berichterstattung nur zulässig, wenn sie von einem berechtigten öffentlichen Informationsinteresse gedeckt ist, welches die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwiegt. In der dafür vorzunehmenden einzelfallbezogenen Interessenabwägung sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen. Neben dem Informationswert der Berichterstattung spielt dabei der Bekanntheitsgrad der Person eine maßgebliche Rolle.
Dies gilt insbesondere für Politiker*innen, da sie unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Transparenz einem gesteigerten Informationsinteresse der Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Zudem haben sie eine Vorbildfunktion inne, sodass die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat, zu erfahren, ob Personen, die als Vorbild gelten, ihr funktionales und privates Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen.
Unter Berücksichtigung jener Aspekte misst die deutsche Rechtsprechung dem Persönlichkeitsrecht von Politikern stets nur ein sehr geringes Schutzniveau bei, sodass diese regelmäßig Eingriffe in ihr Privatleben durch die Medien hinnehmen müssen.
Medienrechtliche Beurteilung des Partyvideos
Wie wäre also wohl die Veröffentlichung des Partyvideos der finnischen Ministerpräsidentin medienrechtlich zu beurteilen? Als Regierungschefin käme Sanna Marin aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und ihrer Rolle als bedeutsame Politikerin ein starkes Informationsinteresse der Öffentlichkeit und nur ein sehr geringer Persönlichkeitsschutz zu.
Auch der Aspekt der Selbstöffnung würde hierbei wohl eine Rolle spielen: So betreibt Sanna Marin aktiv einen Instagram Account auf dem sie regelmäßig auch persönliche Ausschnitte aus ihrem Leben teilt, sodass sich die Frage stellt, inwieweit sie sich auf einen Schutz bezüglich nicht offenbarter Bereiche ihres Privatlebens berufen dürfte. In Bezug auf ihre Vorbildfunktion würde wohlmöglich angeführt werden, dass das Video der Öffentlichkeit Aufschluss über das private Verhalten der Politikerin in aktuellen Krisenzeiten und ihre dahingehende persönliche Betroffenheit verschaffe.
Zudem wäre durch eine Veröffentlichung des Videos demokratische Transparenz in Bezug auf ihre Amtstauglichkeit gewährleistet, stand schließlich zumindest der Verdacht im Raum, dass Sanna Marin Drogen konsumiert oder während ihrer Arbeitszeit gefeiert habe. So müsste das Persönlichkeitsrecht von Sanna Marin nach deutscher Rechtsprechung vermutlich hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten, sodass eine Veröffentlichung des Videos zulässig wäre.
Ob das sachgerecht ist, ist eine andere Frage. Das Video zeigt Sanna Marin in privaten Szenen beim Tanzen und Feiern und steht in keinem Zusammenhang mit ihrer öffentlichen Funktion. Und ob man einer Politikerin vorwerfen kann, in politisch schwierigen Zeiten außerhalb der Einbindung in ihre amtlichen Pflichten mit Freunden zu feiern und deshalb ihre Vorbildfunktion nicht zu erfüllen, erscheint ebenfalls sehr bedenklich. Schließlich handelt es sich dabei um ein normales Sozialverhalten, welchem jeder Mensch, unabhängig davon, ob politisch tätig oder nicht, nachkommen dürfen muss.
Schutzbedürftigkeit der Persönlichkeitsrechte von Politiker*innen
Jedenfalls ein derartiger Shitstorm kann wegen eines Partyvideos in keiner Weise gerechtfertigt sein. Der Fall von Sanna Marin zeigt nur einmal mehr die hohe Erwartungshaltung, welcher Politiker*innen durch die Öffentlichkeit täglich ausgesetzt sind.
Keine Aussage bleibt mehr unkommentiert, kein Verhalten ohne Kritik. In Kombination mit dem nur geringen Persönlichkeitsschutz, der Politiker*innen zugestanden wird, ist eine politische Tätigkeit in Zeiten der sozialen Medien zu einer noch schwierigeren Aufgabe geworden. Glücklicherweise scheint das nun auch die deutsche Rechtsprechung zu erkennen und den Persönlichkeitsrechten von Politiker*innen nach langer Zeit wieder mehr Bedeutung beizumessen.
So heißt es in neueren Entscheidungen, dass eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft nur erwartet werden könne, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Tendenz auch in der zukünftigen Rechtsprechung fortsetzt.
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