OLG Naumburg- Kein Wettbewerbsverstoß durch Rezeptweiterleitung an Apotheke
Vor einigen Monaten berichtete ich darüber, dass ich einen niedergelassenen Arzt, welcher von der Wettbewerbszentrale wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Berufsordnung der Ärzte abgemahnt und später auch verklagt wurde, vor dem Landgericht Dessau vertreten habe. Nachdem bereits das Landgericht Dessau mit Urteil vom 25.09.2015 (Az. 3 O 22/15) zugunsten unseres Mandanten entschied, bestätigte das OLG Naumburg mit Urteil vom 04.05.2016 (Az. 9 U 85/15) nunmehr die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Berufung der Wettbewerbszentrale zurück.
A. Sachverhalt
Die Wettbewerbszentrale wirft unserem Mandanten vor, wettbewerbswidrig gehandelt zu haben, indem er nach schriftlicher Einwilligung durch seine Patienten Rezepte über eine Ärztesoftware an die beiden nächst gelegenen Apotheken weiterleitete, welche sodann die Medikamente an die Patienten auslieferten. Hierdurch soll er nach Auffassung der Wettbewerbszentrale gegen § 31 Abs. 2 BO verstoßen haben.
31 Berufsordnung der Ärztekammer (BO)
(1) Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.
(2) Sie dürfen ihren Patientinnen oder Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärzte, Apotheken, Heil-und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen
Unerlaubte Zuweisung an Apotheke?
Unser Mandant soll nach Auffassung der Wettbewerbszentrale gegen § 31 Abs. 2 BO verstoßen haben, da er angeblich sämtliche Rezepte seiner Patienten an immer die gleichen beiden Apotheken weitergeleitet haben soll. Unserem Mandanten soll es hierbei aber an einem hinreichenden Grund gefehlt haben, obwohl er darlegte, Rezepte nur dann an die beiden Apotheken weiterzuleiten, wenn der Patient aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine Medikamente selbst abzuholen, so dass er sich beliefern lassen muss. Die Besonderheit ist in diesem Fall, dass unser Mandant Arzt in einem Ort ist, der über eine schlechte Infrastruktur und keine Apotheke verfügt. Patienten, die schlecht zu Fuß sind, haben keine Möglichkeit, auf zumutbare Weise an ihre Medikamente zu gelangen, so dass das Vorgehen meines Mandanten, mittels einer Ärztesoftware Erleichterung zu verschaffen, aus meiner Sicht keinesfalls einen Verstoß gegen die Berufsordnung der Ärztekammer darstellen kann. Hinzu kommt, dass die jeweiligen Patienten von allein an unseren Mandanten herantreten und um Rat bezüglich der Einlösung des Rezeptes bitten.
Sinn und Zweck der Vorschrift des § 31 BO ist es zum einen die Unabhängigkeit der Ärzte zu wahren. Zum anderen soll der Wettbewerb zwischen gleichwertigen Anbietern gesundheitlicher Leistungen nicht gestört werden. Durch die Handlungsweise unseres Mandanten werden diese Grundsätze jedoch nicht verletzt. So handelt es sich um eine zulässige Serviceleistung und sogar um eine vertragliche Nebenpflicht des Arztes, wenn dem Patienten auf Nachfrage Anbieter in räumlicher Nähe zur Arztpraxis genannt werden. Es würde einen groben Verstoß gegen die ärztlichen Fürsorgepflichten darstellen, den Patienten ohne Alternative wegzuschicken.
Verstoß gegen Wettbewerbsrecht durch Rezeptweiterleitung?
Die Wettbewerbszentrale sieht in dem Vorgehen unseres Mandanten jedoch einen Berufsrechtsverstoß, welcher wiederum von wettbewerbsrechtlicher Relevanz sei. Denn § 31 Abs. 2 BO stellt eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Was fordert die Wettbewerbszentrale?
Die Wettbewerbszentrale machte in ihrer Klage einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie auch Zahlungsansprüche (Aufwendungsersatzansprüche) geltend.
Sie forderte unseren Mandanten auf, den oben genannten Wettbewerbsverstoß/Berufsrechtsverstoß zukünftig zu unterlassen. Ein Unterlassungsanspruch der Wettbewerbszentrale ergibt aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG.
B. Entscheidungsgründe des OLG Naumburg
Die Wettbewerbszentrale unterlag im Klageverfahren zunächst vor dem Landgericht Dessau, welches sich mit Urteil vom 25.09.2015 (Az. 3 O 22/15) unserer Auffassung anschloss und ausführte, dass es nicht wettbewerbswidrig und keinen Verstoß gegen die Berufsordnung der Ärzte darstelle, wenn Rezepte an Apotheken weitergeleitet werden, solange ein wichtiger Grund dafür vorliegt (z.B. Immobilität, Gebrechen). Die Wettbewerbszentrale hat nach zutreffender Auffassung des Gerichts nicht konkret dargelegt, dass der von uns vertretene Arzt Rezepte auch bei Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes an Apotheken weiterleitet. Ein Zusammenarbeiten unseres Arztes mit bestimmten Apotheken, was einen Wettbewerbsverstoß/Berufsrechtsverstoß darstellen würde, konnte nicht nachgewiesen werden. Unser Mandant müsse im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast auch nicht Beweis darüber erbringen, dass er Rezept Weiterleitungen in jedem Fall rechtskonform gestaltet.
Die Wettbewerbszentrale legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung beim OLG Naumburg ein. Dieses bestätigte nunmehr die Entscheidung des Landgerichts Dessau mit Urteil vom 04.05.2016 (Az. 9 U 85/15) und stellte klar, dass die ärztliche Schweigepflicht es nicht erlaube, das Vorliegen eines wichtigen Grundes bei einem bestimmten Patienten anhand von Patientendaten und Beschreibung der Krankheitsbilder zu beweisen. Konkrete Anhaltspunkte, die auf einen Verstoß des beklagten Arztes gegen die Berufsordnung und gegen das Wettbewerbsrecht hindeuten, sah das Gericht nicht als gegeben an und wies die Berufung daher folgerichtig zurück. Auch die Auffassung der Wettbewerbszentrale, dass für eine Rezept Weiterleitung grundsätzlich kein Grund bestehe, weil es die Möglichkeit von Versandapotheken und Boten gebe, sodass der Patient sich in jedem Fall selbst versorgen könne, bestätigte das Gericht nicht.
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