UWG Novelle 2022: Mehr Rechtssicherheit für Influencer & Regelungen zur sog. „Dual quality“
Erst am 02.12.2020 trat das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ in Kraft, mit dem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) umfassend überarbeitet wurde. Nun steht dieses Jahr erneut eine UWG Novelle an.
Beruhend auf der sog. „Omnibusrichtline“ (RL (EU) 2019/2161) hat der Deutsche Bundestag am 10.6.2021 das „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ (BGBl. 2021, Teil 1 Nr. 52, 3504) beschlossen. Dieses tritt am 28.05.2022 in Kraft.
Die wesentlichen Änderungen betreffen dabei das Influencer-Marketing, Informationspflichten für Vermittlerplattformen und Online-Marktplätze sowie Regelungen zum Vertrieb von Produkten unterschiedlicher Qualität und Zusammensetzung unter derselben Marke („dual quality“).
Mehr Rechtssicherheit für Influencer
Influencer-Marketing ist auf dem Vormarsch. Immer mehr junge Menschen nutzen die Möglichkeit der sozialen Medien, um an Bekanntheit und Reichweite zu gewinnen. Welches Potential diese Entwicklung hat, haben auch die Hersteller und Unternehmen verschiedenster Produkte für sich entdeckt.
In einer Art Symbiose machen sich beide Parteien die Reichweite zu Nutze, indem die Influencer mit bekannten Herstellern Kooperationen eingehen (sog. Influencer-Marketing). Hierbei machen die Influencer*innen Werbung für entsprechende Produkte und platzieren Sie geschickt in ihren Posts. Häufig bekommen sie hierfür die Produkte gestellt, dürfen diese behalten oder erhalten sogar ein Entgelt.
Rechtsprechung und Rechtslage bisher uneindeutig
In letzter Zeit führte diese Art von Werbung häufig zu außergerichtlichen und gerichtlichen Streitigkeiten zwischen Wettbewerbsteilnehmern oder Wettbewerbsverbänden und den Influencer*innen. So verklagte der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW) teilweise erfolgreich die Influencerinnen Cathy Hummels, Leonie Hanne und Luisa-Maxime Huss wegen unzulässiger Schleichwerbung (BGH, Urt. v. 09.09.2021, Az. I ZR 126/20, I ZR 125/20, I ZR 90/20).
Die Rechtslage um die Frage, wann ein Post oder eine andere Handlung auf sozialen Medien (insb. Instagram) explizit als Werbung zu kennzeichnen ist, wurde in den letzten Jahren unter den Instanzgerichten nicht einheitlich beurteilt und führte zu divergierenden Gerichtsentscheidungen. Auch das Urteil des BGH vom 09.09.2021 konnte insoweit nicht unbedingt für Klarheit sorgen (s. unser Beitrag v. 10.09.2021).
Endlich eine gesetzliche Regelung der Kennzeichnungspflicht
Klarheit soll in der Frage Influencer-Marketing ab dem 28.05.2022 der neue § 5a Abs. 4 UWG aus der UWG Novelle schaffen.
Danach handelt unlauter, „wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“.
Nach Satz 2 liegt ein solch kommerzieller Zweck – und damit eine Kennzeichnungspflicht – nicht vor, wenn der/die Influencer*in kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung erhält oder sich versprechen lässt.
Nach dem Regierungsentwurf umfasst der Begriff „ähnliche Gegenleistung“ auch Provisionen, zugesandte Produkte, die die Influencer*innen nutzen oder behalten dürfen sowie Pressereisen, die Stellung von Ausrüstung oder die Kostenübernahme.
Dass die Influencer*innen durch etwaige Handlungen selbst an Bekanntheit gewinnen, kann nicht als Gegenleistung gesehen werden, da es an einer Beeinflussung der Bekanntheit durch das entsprechende Unternehmen fehlt.
Der kommerzielle Zweck wird vermutet
Aber Achtung: Es gilt nach Satz 3 zu Lasten der Influencer*innen die Vermutung, dass diese für ihre Tätigkeit ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung bekommen. Diese Vermutung gilt es in der Rechtspraxis glaubhaft zu widerlegen. Hierfür kommen in Betracht:
- Eine Bestätigung des Unternehmens, dass der/die Influencer*in kein Entgelt oder ähnliche Gegenleistung erhalten hat.
- Eine eidesstattliche Versicherung der Influencer*innen, dass sie unentgeltlich und ohne ähnliche Gegenleistung handelten.
Strengere Informationspflichten für Vermittlungsplattformen und Online-Marktplätze
Neue Regelungen finden Sich auch mit Blick auf die Informationspflichten von Online-Marktplatz-Anbietern und Vermittlungsplattformen in der UWG Novelle. Mit dem neuen UWG handelt auch unlauter, wer dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer wesentliche Informationen vorenthält und ihn hierdurch irreführt. Zu den wesentlichen Informationen zählen nach § 5b Abs. 1 Nr. 1-5 UWG n.F.:
- wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung in einem angemessenen Umfang
- die Identität und Anschrift des Unternehmers
- der Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung
- die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen
- das Bestehen oder Nichtbestehen von Rücktritts- oder Widerrufsrechten
Noch strengere Informationspflichten treffen die Betreiber von Online-Marktplätzen. Diese müssen unmittelbar und leicht zugänglich die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings der Suchergebnisse sowie die relative Gewichtung der Hauptparameter zur Festlegung des Rankings im Vergleich zu anderen Parametern zur Verfügung stellen.
Für den Verbraucher muss also erkennbar sei, wieso ein Angebot weiter oben angezeigt wird und ein anderes hingegen weiter unten in der Liste. Denn viele Online-Marktplätze bieten mittlerweile an, dass gegen Zahlung eines Entgelts die Waren eines Anbieters für einen gewissen Zeitraum bei der Angebotssuche weiter oben erscheinen. Hier sollen entsprechende Vorschriften für mehr Transparenz sorgen.
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 6 UWG n.F. ist ein Online-Marktplatz ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, Fernabsatzverträge (§ 312c BGB) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern zu schließen. Hierunter fallen Plattformen wie eBay, eBay Kleinanzeigen oder Shpock.
Identische Vermarktung einer Ware trotz unterschiedlicher Zusammensetzung ist wettbewerbswidrig
Zuletzt geht die UWG Novelle auch das Problem der sog. Doppelqualität von Waren („dual quality“) an. Hierrunter ist zu verstehen, dass ein Unternehmen ein Produkt unter derselben Marke aber mit unterschiedlicher Zusammensetzung oder Rezeptur in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vermarktet.
So war es teilweise gängige Praxis einiger Unternehmen, ein Produkt in Deutschland bzw. Westeuropa mit hochwertigen Zutaten wie Zucker zu vertreiben, während das Produkt unter derselben Marke in osteuropäischen Mitgliedstaaten mit günstigeren Zutaten wie Zuckerersatzstoffen angeboten wurde.
Dieses Vorgehen stand in der Kritik, einen Verbraucher zweiter Klasse zu schaffen. Insbesondere würden die Verbraucher an bestimmte Marken auch eine bestimmte Produktqualität knüpfen, so dass sich dieses Verhalten als Verbrauchertäuschung darstellt.
Nach dem neuen § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG soll dieses Vorgehen zumindest grundsätzlich unterbunden werden. Danach handelt unlauter, wer eine „Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitstellt, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden“.
Nicht irreführend ist dieses Vorgehen jedoch dann, wenn die Unterschiede trotz identischer Vermarktung für die Verbraucher*innen leicht zu erkennen sind. Auf dem Etikett können beispielsweise Zusätze wie „Zero“, „Light“ o.ä. auf die Unterschiede hinweisen.
Unterschiede können aber gerechtfertigt sein
Ausnahmsweise ist die identische Vermarktung trotz Unterschieden auch dann erlaubt, wenn legitime und objektive Gründe die Unterschiede rechtfertigen. Beispielhaft zählt Erwägungsgrund 53 der „Omnibusrichtline“ folgende rechtfertigende Umstände auf (hier nicht abschließend wiedergegeben):
- Anpassung an unterschiedliche geografische Märkte
- Saisonabhängigkeit und Verfügbarkeit von Rohstoffen
- Nationale Vorgaben
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