VG Köln hält wichtige Normen des NetzDG im Eilverfahren für unionsrechtswidrig
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wurde erst am 28.06.2021 novelliert und soll nach der gesetzgeberischen Intention und seiner inhaltlichen Konzeption die Durchsetzung von Rechten bei Rechtsverletzung im Internet (z.B. durch Hatespeech) erleichtern. Nunmehr hat das Verwaltungsgericht Köln kürzlich auf Antrag von Google (YouTube, Az.: 6 L 1277/21) und Meta (Facebook und Instagram, Az. 6 L 1354/21) im einstweiligen Rechtsschutz entschieden, dass tragende Normen des NetzDG teilweise nicht mit europäischen Vorgaben vereinbar seien (rechtswidrig) und deshalb unanwendbar blieben.
Zum Sachverhalt
Das NetzDG soll – wie bereits einleitend dargestellt – die Rechtsdurchsetzung im Rahmen von sozialen Netzwerken deutlich vereinfachen. Nach der im Jahr 2021 erfolgten Novellierung des NetzDG sind Diensteanbieter wie Google oder Meta nach § 3a NetzDG dazu verpflichtet, Rechtsverletzungen im Rahmen eines internen sog. „NetzDG-Beschwerdeverfahrens“ nachzugehen und bei Anhaltspunkten für eine Straftat die Informationen an die zuständigen Behörden (z.B. dem BKA) zu übergeben. In § 4a NetzDG wird als für die Überwachung der NetzDG-Vorschriften zuständige Behörde das Bundesamt für Justiz bestimmt.
Google und Meta wehren sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (hier: einstweilige Anordnung gem. § 123 I VwGO) gegen diese Vorschriften und begehren die Feststellung, dass die Behörden die betroffenen Normen nicht anwenden bzw. diesbezügliche Maßnahmen gegen Meta und Google erlassen dürfen.
Die Entscheidung des VG Köln
Das Verwaltungsgericht Köln gab Meta und Google teilweise recht. Dabei rügt das Verwaltungsgericht vor allem einen Verstoß gegen das sog. Herkunftslandprinzip und die fehlende Unabhängigkeit der zuständigen Behörde.
3a Abs. 1 und 7 NetzDG verstößt gegen das Herkunftslandprinzip
§ 3a des NetzDG verpflichtet die Diensteanbieter wie Facebook, Instagram und YouTube im Rahmen eines Nutzer-Beschwerdeverfahrens dazu, den Rechtsverletzungen nachzugehen und bei Anhaltspunkten für das Vorliegen einer in § 3a Abs. 2 NetzDG genannten Katalogstraftat die gewonnenen Informationen zusammen mit den Benutzerdaten an die zuständigen Behörden (z.B. das BKA) zu melden und weiterzugeben.
Nach Auffassung des VG Köln verstößt diese Verpflichtung gegen das Herkunftslandprinzip und damit gegen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31/EG), wobei das Herkunftslandprinzip national auch in § 3 Abs. 1 TMG umgesetzt wurde.
Demnach soll eine Regulierung der Rechte und Pflichten von Diensteanbieter im Bereich der Telemedien durch diejenigen Staaten erfolgen, in denen die Diensteanbieter ihren Sitz haben.
Mit anderen Worten:
- Google und Meta müssen sich nur an solche Gesetze und Regulierungen halten, die in ihrem Sitzland, also Irland, bestehen. An deutsche Gesetze müssen sie sich hingegen nicht halten. Dies soll international agierende Diensteanbieter davor bewahren, sich an zig verschiedene Rechtsordnungen anpassen zu müssen.
Zwar darf nach der o.g. Richtlinie der Sitzmitgliedsstaat auch abweichende und restriktivere Maßnahmen festlegen. Hierzu müsste jedoch nach den Vorgaben der Richtlinie der Mitgliedstaaten (hier Deutschland) sowohl die EU-Kommission als auch den Staat, indem der Diensteanbieter ansässig ist (hier Irland) über diese Absicht informieren. Dies geschah vorliegend mit Blick auf § 3a NetzDG, § 3 Abs. 1 TMG nicht. Damit verstößt nach Auffassung der VG Köln § 3a Abs. 1 und Abs. 7 NetzDG gegen das Unionsrecht.
4a Abs. 2 NetzDG verstößt gegen das Gebot der Unabhängigkeit der Kontrollbehörde
Auch § 4a Abs. 2 NetzDG ist nicht mit dem höherrangigen Unionsrecht vereinbar. § 4a Abs. 2 NetzDG sieht i.V.m. § 4 Abs. 4 NetzDG vor, dass das Bundesamt für Justiz für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständig ist.
Art. 30 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sieht jedoch vor, dass die zuständige Aufsichtsbehörde unabhängig von Regierungseinrichtungen sein muss. Da das zuständige Bundesamt für Justiz jedoch den Weisungen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz untersteht und dieses wiederum Teil der Exekutive ist, ist das Bundesamt für Justiz nach Auffassung des VG Köln nicht „unabhängig“ im Sinne der Richtlinie.
Damit verstößt auch §4a Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 4 NetzDG gegen höherrangiges Unionsrecht.
Auswirkungen und Übertragbarkeit
Die Entscheidung des VG Köln wirkt grundsätzlich nur zwischen den Verfahrensbeteiligten. Gegenüber anderen Diensteanbietern entfaltete die Entscheidung hingegen keine unmittelbare Wirkung.
Gegen die Entscheidung kann noch das Rechtsmittel der Beschwerde gem. § 146 Abs. 1 VwGO eingelegt werden. Über dieses hätte dann das zuständige Oberverwaltungsgericht zu entscheiden.
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